Jahr - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Das Jahr
Um die Jahreslänge abzustecken, beobachteten die Alten die Auf- und Untergangspunkte der Sonne am Horizont. Sie wandern im Jahreslauf zwischen Ostnordost und Ostsüdost bzw. Westnordwest und Westsüdwest.
Auf- und Untergangspunkte der Sonne im Jahreslauf
Im Jahreslauf passiert die Sonne, etwas vereinfacht gesagt, einen bestimmten Punkt am Horizont zweimal: Einmal vor der Sonnenwende und einmal danach. Das wiederholt sich jeweils im Jahresabstand, also alle 365 oder 366 Tage.
Steinkreis von Callanish, Hebriden, Schottland
Mit Hilfe von Steinkreisen ließen sich solide Visierlinien verwirklichen. Beobachtete man Sonnenauf- und Untergangspunkte über Generationen hinweg, erhielt man durch Mittelwertbildung einen Wert von 365 und einem Viertel Tag.

Damals gab es noch keine Kommazahlen: Wir würden heute 365,25 Tage schreiben.
Die julianische Jahreslänge

In Kleopatras Palast traf Julius Cäsar den alexandrinischen Astronomen Sosigenes und hörte von ihm genau diese Zahl. Cäsar nahm also eine Jahreslänge von 365 Tagen und 6 Stunden als Grundlage für den von ihm verordneten julianischen Kalender.

Cäsar realisierte sie, indem er drei Gemeinjahren zu jeweils 365 Tagen ein Schaltjahr mit 366 Tagen folgen ließ. Die resultierende julianische Jahreslänge ist allerdings bloß eine Näherung an die tatsächlichen Verhältnisse.


Das siderische Jahr
Schauen wir uns die Erdbahn aus der Vogelperspektive an: Relativ zu einem weit entfernten Stern erreicht die Erde denselben Punkt nach 365,25636 Tagen wieder.

Das sind 365 Tage, 6 Stunden, 9 Minuten und knapp 10 Sekunden.
Astronomen sprechen vom siderischen Jahr, weil Stern auf lateinisch sidus heißt.


Das tropische Jahr

Das Jahr wurde zu einer Zeit definiert, als man noch nicht an die Bewegungen der Erde glaubte. Man dachte damals, die Sonne würde um die Erde ziehen. Daher ist es sinnvoller, sich die Sache aus der alten, erdzentrierten Sicht anzuschauen.

Der Himmelsäquator ist die Projektion des Erdäquators an die Himmelskugel. Er teilt diese in eine nördliche und eine südliche Hälfte.

Im Jahreslauf zieht die Sonne durch alle Sternbilder des Tierkreises. Sie folgt der sogenannten Ekliptik (also der Sonnenbahn) und beschreibt einen 360 Grad umfassenden Großkreis am Himmel. Dabei schneidet sie den Himmelsäquator zweimal, einmal im aufsteigenden Abschnitt ihrer Bahn, einmal im absteigenden.
Der Schnittpunkt zwischen dem Himmelsäquator und der Sonnenbahn im aufsteigenden Abschnitt wird Frühlingspunkt genannt, der im absteigenden Abschnitt Herbstpunkt. Der astronomische Frühling beginnt, wenn die Sonne im Frühlingspunkt steht, der astronomische Herbst, wenn sie den Herbstpunkt passiert.
Frühlingspunkt: Die aufsteigende Sonnenbahn schneidet den Himmelsäquator
Nun könnte man die Jahreslänge so definieren: Ein Jahr ist die Zeit, die zwischen zwei aufeinander folgenden Passagen der Sonne durch den Frühlingspunkt verstreicht. Dies sind 365,2421905 Tage (365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und gut 45 Sekunden). Astronomen sprechen vom tropischen Jahr.


Zuletzt: Die Entscheidung

Welche Jahreslänge ist denn nun die richtige?

Bei den anderen Planeten würden wir uns wohl fürs jeweilge siderische Jahr entscheiden - also für jene Zeitspanne, die ein Planet im Raum für einen kompletten Sonnenumlauf benötigt. Doch als Erdbewohner müssen wir praktisch denken.

Die Erdachse steht nicht fix im Raum, sondern beschreibt in etwa 25.800 Jahren selbst einen Kreis. Dabei deutet sie nach und nach zu verschiedenen Sternen, weshalb unser Polarstern diesen Titel nur geborgt hat. Die Präzession verschiebt die astronomischen Tierkreissternbilder gegenüber den nur noch astrologisch genutzten Tierkreiszeichen.

Die Präzession lässt daher auch den Himmelsäquator relativ zur Sonnenbahn wandern. Damit wandern die Schnittpunkte beider Großkreise jährlich um 0,014 Grad. Der Frühlingspunkt schleicht der Sonne am Himmel gleichsam entgegen. Deshalb ist das tropische Jahr um rund 20 Minuten kürzer als das siderische.
Ein Jahr dauert daher nicht 365,25 Tage (julianisch) und auch nicht 365,25636 (siderisch), sondern 365,24219 Tage. Denn dieses tropische Jahr (griechisch: tropos, Drehung) berücksichtigt sowohl den raschen Lauf der Erde um die Sonne als auch die langsame Präzessionsdrehung der Erdachse.
Alle Angaben ohne Gewähr
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