Das Auge in der Astronomie
Unser Auge ist ein phantastisches Instrument. Es erschließt uns nicht nur unsere unmittelbare Umwelt, sondern auch das Weltall. Für Sternfreunde gilt das ganz besonders.
Kontraste
Das Auge funktioniert über einen gewaltigen Helligkeitsbereich - vom hellen Tag bis zur sternenbeschienenen Nacht. Im Gegenzug tut es sich schwer, sehr geringe Helligkeitsdifferenzen (also schwache Kontraste) zu erkennen. Erfahrene Amateurastronomen machen bei benachbarten Sternen Unterschiede um 0,1 mag (grob 10 Prozent) im Glanz aus: Kleinere Helligkeitsdifferenzen (wie die 5 Prozent auf der Grafik unten) sind kaum zu registrieren.
Farben
Unser Auge liefert uns die Welt in Farben, wofür drei farbtüchtige Zapfensorten zuständig sind. Allerdings hat die Farbtüchtigkeit Grenzen. Sehr subtile Farbkontraste, wie z.B. zwischen den einzelnen Mondmeeren, bleiben uns verborgen.
Wir sehen die Mondmeere bloß in verschiedenen Grautönen. Tatsächlich besitzen sie auch unterschiedliche Kolorierungen, wie die sorgsam durchgeführte Mondfotografie belegt
Aber auch bei sehr schwachen Lichteindrücken tut sich das Auge schwer mit dem Farbsehen. Will man die Farbtüchtigkeit steigern, muss man ihm des Nachts also mehr Licht zuführen, mit Fernglas oder Fernrohr.
Bei punktförmigen Objekten ist das Farbsehen ebenfalls erschwert. Das absichtliche Unscharfstellen (Defokussieren) des Fernglases oder des Teleskops verwandet hellere Sternpunkte in Flächen - und erleichtert so das Farbensehen.
Der kleine Farbtonunterschied ist bei punktförmiger Abbildung (oben) kaum zu bemerken. Verwandelt man die Punkte in Flächen (unten), wird er deutlicher
Rotempfindlichkeit nachts reduziert
In der Nacht übernehmen die lichtempfindlicheren, aber farbuntüchtigen Stäbchen der Netzhaut die Regie. Deshalb sind die sprichwörtlichen Katzen dann grau.
Himmelsnebel sehen wir - ganz anders als auf farbenprächtigen Fotografien - im Teleskop fast immer nur grau. Eine Ausnahme sind manche Planetarischen Nebel, weil sie relativ hell sind und sie ihr Licht primär in einem schmalen grünen Bereich des Spektrums abstrahlen.
Das Spektrum des planetaren Nebels NGC 6572 - er strahlt vor allem grün, im Lichte des doppelt ionisierten Sauerstoffs
Schon vor dem Eintritt der astronomischen Nacht, im Verlauf der Dämmerung, lässt die Rotempfindlichkeit der Augen nach. Blaue Jeans erscheinen in der Dämmerung in einem helleren Grau als ein gleich helles rotes T-Shirt am Tag. Die Jeans muten bald dunkelgrau bis schwarz an.
Ist diese Purkinje-Verschiebung mit ein Grund, warum wir Himmelsnebel selbst im größeren Fernrohr primär grau erleben? Kosmische Gaswolken leuchten jedenfalls oft im roten Licht des Wasserstoffs; und für dunkles Rot mangelt es dem Auge nächtens ganz besonders an Empfindlichkeit.
Dunkeladaption wichtig
Jeder kennt das Phänomen, wenn er aus einem hell beleuchteten Zimmer plötzlich in die dunkle Nacht tritt. Zunächst sieht man kaum etwas, mit der Zeit tauchen dann immer mehr Objekte auf.
Für gutes Sehen in der Nacht ist die Dunkeladaption nötig. Das Auge braucht etwa eine halbe Stunde, um sich völlig an die Dunkelheit anzupassen. Kunstlicht - und dazu zählen auch die Monitore von Smartphones - ruiniert diese Adaption wieder.
Am wenigsten stört schwaches rotes Licht, weshalb im Umfeld des Teleskops gedämpfte rote Lampen Verwendung finden.
In U-Boot-Filmen werden Sie übrigens ähnliches bemerken.
Die Pupille regelt die Menge des einfallenden Lichts. Sie weitetet sich im Dunkeln. Unser Auge besitzt in jungen Jahren einen maximalen Pupillendurchmesser von 7 oder 8 mm, der im Alter in Richtung 4 oder 5 mm schrumpft. Ferngläser werden gerne so konstruiert, dass deren Austrittspupille (AP = Objektivdurchmesser / Vergrößerung) in eben diesen Bereich fällt.
Peripheres Sehen
Wir richten unseren Blick unwillkürlich so aus, dass das zu studierende Objekt - etwa Buchstaben eines Textes oder die Ringe des Saturn - auf die Makula ("gelber Fleck") und die darin liegende Fovea centralis ("Sehgrube") fällt. Hier sind die Zapfen am dichtesten angeordnet, was die höchste Auflösung gewährt.
Abseits davon verliert das Auge an Auflösungskraft, und zwar auf ein Zehntel von jener der Sehgrube. Dafür ist das Auge an der Peripherie der Netzhaut lichtempfindlicher. Deshalb kommt in der beobachtenden Astronomie oft das indirekte oder periphere Sehen zum Einsatz. Man starrt ein lichtschwaches Objekt nicht an, sondern blickt knapp daran vorbei. So wird es am lichtempfindlicheren Teil der Netzhaut abgebildet, wo die Stäbchen dominieren.
Amateurastronomen nützen das indirekte Sehen bei ihren teleskopischen Beobachtungen. Er macht schwache Sternchen sichtbar, die bei direktem Anschauen nicht zu erkennen wären. Allerdings sinkt die Auflösung des Auges dabei, weshalb man unwillkürlich geneigt ist, doch wieder aufs Objekt zu starren: Das bewusste periphere Sehen erfordert Übung.
Fehlsichtigkeit und Nachtmyopie
Im Alltag gleichen Brillen die Kurz- oder Weitsichtigkeit aus. Fernglas oder Teleskop erlauben es, solche Brillen wegzulassen - weil man hier entsprechend Nachfokussieren kann. Leider ist das beim Astigmatismus nicht so; den zaubert auch das beste Teleskop nicht weg.
Bei schwachem Licht werden etliche Menschen übrigens etwas kurzsichtiger ("night myopia", Nachtmyopie), was z.B. beim nächtlichen Autofahren bzw. im Kino auffallen mag.
Dafür gibt es mehrere Ursachen, darunter auch das weiter oben erwähnte Öffnen der Pupille und die Purkinje-Verschiebung.
Zum Sterneschauen ohne Teleskop oder Fernglas bzw. beim Meteorbeobachten (Foto oben) mag man daher vielleicht eine Brille tragen - auch wenn man sie tagsüber nicht braucht.
Trennschärfe
Die Auflösungskraft des freien Auges beträgt etwa eine Bogenminute. Dieser Wert gilt für Objekte mit hohem Kontrast. Ist dieser gering, sinkt die Auflösung auf 3 bis 5 Bogenminuten. Ein Teleskop erlaubt Auflösungen im Bereich von grob einer Bogensekunde. Allerdings arbeitet man dabei oft im Grenzbereich der menschlichen Wahrnehmung. Details auf Mars oder Jupiter erscheinen trotz hoher Vergrößerung winzig - und verschmieren der Luftunruhe wegen immer wieder.
Teleskopisches Sehen braucht Geduld und Übung: Man wartet auf Momente ruhiger Luft. Dann prägt man sich die nun kurzzeitig sichtbar werdenden Einzelheiten rasch ein, hält sie in einer Zeichnung fest.
Danach wartet man neuerlich.
Foto links: Marszeichnungen des Sternwartegründers Percival Lowell
Jahrhundertelang haben Mond- und Planetenbeobachter genau so gearbeitet. Mitunter saßen sie dabei auch Irrtümern auf, wie die Debatte um die Marskanäle oder um die vermeintlich sichtbare Venusrotation belegt. Heute liefert die Planetenfotografie selbst im Amateurbereich mehr Details - auch, weil sie subtile Helligkeits- und Farbkontraste stark überhöhen kann.
Der farbenblinde italienische Marsbeoachter Giovanni Schiaparelli beobachtete den roten Planeten in Mailand hunderte Stunden lang. Er verwendete den Begriff "canali" für geradlinige Strukturen auf Mars. Infolge meinten viele, es gäbe dort eine Zivilisation
Extrem schwaches Licht
Bei extrem schwachen Objekten sind dunkler Himmelshintergrund, Dunkeladaption und indirektes Sehen von besonderer Bedeutung. Allerdings kann unser Auge die Lichteindrücke - etwas vereinfacht gesagt - nicht addieren. Es ist wie ein Kübel, der in jedem Augenblick wieder geleert wird. Ein schwacher Stern wird nicht wirklich heller, wenn man ihn länger anschaut. Man bekommt dabei bestenfalls mehr Übung und Erfahrung im teleskopischen Sehen.
Anders die Deep-Sky-Fotografie: Hier füllen sich die "Kübel" (Pixel) während der gewählten Belichtungszeit immer mehr mit Photonen. Deshalb ist das fotografische Verfahren dem Auge bei schwachen Lichteindrücken weit überlegen.
Pluto wurde 1930 fotografisch aufgefunden. Ich fotografierte ihn 2020. Mit dem Auge am 20 cm Teleskop hätte ich von Wien aus keine Chance gehabt
Obacht nötig
Gerade weil unser Auge ein derart phantastisches Instrument ist, sollte man auf dessen Gesundheit achten. Ich lasse meine Augen alle sechs Monate von meinem Augenarzt untersuchen und folge seinen Empfehlungen.
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