Das Osterdatum
Vor 1700 Jahren, im Frühling des Jahres 325 n. Chr., versammelten sich auf Einladung Kaiser Konstantins einige hundert Bischöfe in Nicäa - dem späteren Iznik. Es lag unweit von Konstantinopel, wo besagter Kaiser sein 20. Thronbesteigungsjubiläum feierte.
Bei diesem ersten Konzil von Nicäa diskutierten Vertreter des jungen Christentums dogmatische Fragen. Mit dabei war unter anderem der Bischof Nikolaus von Myra, der später zum Vorbild unseres Nikolo bzw. des Weihnachtsmannes werden sollte.
Ebenso der Theologe Arius aus Alexandria, der die Wesensgleichheit von Gott Vater und Jesus bestritt: Der Legende nach soll ihn erwähnter Nikolaus dafür eine Ohrfeige verpasst haben.
Im Zuge des Konzils wollte man auch verbindlich festlegen, wann das Osterfest gefeiert werden sollte. Manche orientierten sich am Tag des letzten Abendmahls (laut Bibel ein Donnerstag), andere am Tag der Kreuzigung (Freitag) und wiederum andere am Tag der Auferstehung (Sonntag).
Das Konzil legte fest, dass dies in der gesamten Christenheit einheitlich geschehen solle, und zwar am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling.Man musste also zunächst den Frühlingsbeginn, dann den nächsten Vollmond und dann wiederum den darauf folgenden Sonntag abwarten.Heute schauen wir in den Kalender, doch damals war der Frühlingsbeginn gar nicht so einfach abzustecken. Der astronomische Frühling beginnt, wenn die Sonne am aufsteigenden Ast ihrer Bahn den Himmelsäquator kreuzt. Der Himmelsäquator ist quasi die Projektion des Erdäquators an die Himmelskugel. Er teilt diese in eine nördliche und eine südliche Hälfte.
Der Vollmond tritt ein, wenn Sonne und Mond, von der Erde aus betrachtet, einander gegenüber stehen. Dieser Termin lässt sich zyklisch mit einigen Fehlern berechnen - wie wahre, elliptische Form der Mondbahn war damals noch nicht bekannt.
Man kann den Vollmondtermin auch mit freiem Auge schätzen, und zwar mit einer Genauigkeit von ein oder zwei Tagen.Rom und Alexandria veröffentlichten einschlägige Ostertafeln, die in ihren Vorausberechnungen in manchen Jahren voneinander abwichen. In Rom setzte man den astronomischen Frühlingsbeginn nämlich konstant mit dem 25. März an. In Alexandria – das auf eine herausragende himmelskundliche Tradition verweisen konnte – propagierte man hingegen den 21. März.Im Jahr des Konzils hatte die Sonne den himmlischen Frühlingspunkt übrigens bereits am 20. März erreicht, ohne dass die Teilnehmer dies ahnten.
Nürnberg: Adam Kraft, Kreuzweg
Pascha-Fest
Doch warum klammerte man sich überhaupt so sehr an den Frühlingsbeginn und den nachfolgenden Vollmond, den Frühlingsvollmond? Die Ursache steckt in der jüdischen Tradition des Pascha-Fests.
In der Wiener Minoritenkirche findet man eine Mosaikkopie von Leonardo da Vincis Letztem Abendmahl. Wie die Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas berichten, hatte Jesus mit seinen Jüngern hier das Pascha-Mahl gefeiert. Damit beginnt das mehrtägige Pessach- oder Pascha-Fest, das Juden an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei erinnern sollte. Es fand zum ersten Vollmond nach Frühlingsbeginn statt. Am folgenden Tag wurde Jesus laut Bibel gefangen genommen und gekreuzigt.Beim Osterfest gedenkt man seiner nachfolgenden Auferstehung. Entsprechend wollten auch die Christen ihr Osterfest in enger zeitlicher Nähe zum Pascha-Fest gefeiert wissen. In romanischen Sprachen ist dieser Bezug klar: In Spanien heißt Ostern "Pascua", in Frankreich "Pâques" und in Italien "Pasqua".
Kreuzigungsszene in der Kirche Santa Croce, Florenz
Ein kalendarischer Fehler
Die von Julius Cäsar eingeführte Schaltregel - ein Schalttag alle vier Jahre - führte zu einem mittleren Jahr von 365,25 Tagen. Sie näherte den julianischen Kalender stark ans wahre Sonnenjahr (365,242 Tage) an. Der verbliebene Fehler von 0,008 Tagen machte sich mittelfristig nicht störend bemerkbar, langfristig aber schon.Das julianische Jahr ging eine Spur zu langsam vorbei. Alle 128 Jahre stieg der Fehler um einen weiteren Tag: Der für die Osterrechnung so wichtige 21. März rückte immer weiter vom astronomischen Frühlingsbeginn weg.Und auch beim Mondlauf gab es Handlungsbedarf. In Alexandria hatte man eine nach dem griechischen Astronomen Meton benannte Periode benutzt. Nach 19 Sonnenjahren (oder 235 Mondmonaten) fallen die Mondphasen demnach wieder auf den gleichen Kalendertag.Auch hier gab es eine kleine Differenz im Stundenbereich, die sich Jahrhunderte lang immer mehr aufsummierte. Im 16. Jahrhundert war der am Himmel sichtbare Mond schon vier Tage früher voll als der kalkulierte – eine weithin sichtbare Blamage!
Beim Frühlingsbeginn lag der Kalender 1582 schon um 10 Tage daneben, beim ersten darauf folgenden Vollmond um vier. Papst Gregor XIII. ordnete eine Kalenderreform an. Hauptmotiviation war, das Osterfest wieder an die korrekte Stelle zu rücken. Der Papst ließ zehn Tage aus dem Kalender streichen und veränderte die Schaltregel: Die Schalttage wurden in Folge ein klein wenig seltener.Die Jahreslänge entnahm man dabei den alfonsinischen Tafeln aus dem 13. Jahrhundert, und auch beim Mond wurde korrigierend eingegriffen. Hier verwendete man meines Wissens kopernikanische Daten, obwohl dessen sonnenzentrierte Lehre bloß als Spekulation oder reines Rechenmodell betrachtet wurde.
Der Däne Bertel Thorvaldsen schuf das Kopernikus-Denkmal in Warschau
Allerdings setzte die kirchliche Osterrechnung auch weiterhin auf Vereinfachungen. Sie arbeitet mit einem vereinfachten Modell der Wirklichkeit. Darin beginnt der Frühling stets am 21. März. Tatsächlich startet der astronomische Frühling mittlerweile aber am 20., mitunter sogar am 19. März.Und auch beim Vollmond setzt man weiterhin auf einen zyklischen, theoretischen Mond. Um diesen "Kirchenvollmond" an den wirklichen Vollmond anzunähern, existiert eine eigene, sehr spezielle Schaltregel. Kurzfristig bleiben dennoch Abweichungen bis zu einem Tag möglich.
Beim Osterdatum treffen also drei Zyklen zusammen:
- Sonnenlauf
- Mondphase
- Kalenderwoche
Der Ostersonntag kann letztlich zwischen dem 22. März und dem 25. April liegen. Meist fällt er in den April, der solcherart als "Ostermonat" schlechthin gilt.
2025 tritt der astronomische Frühlingsbeginn am 20. März ein, der nächste astronomische Vollmond folgt am 13. April, der nächste Sonntag am 20. April. Ostern kommt da recht spät.2030 geschieht das sogar noch einen Tag später. Frühe Ostern finden hingegen 2027 und 2032 (beide Male am 28. März) und 2025 (25. März) statt.Dass der jahrezeitliche Termin der Osterferien Auswirkungen auf den Tourismus hat, versteht sich. Daher tauchte unter österreichischen Touristikern auch schon die naive Idee auf, zwar nicht das Osterfest, wohl aber die Osterferien alle Jahre zum selben Termin abzuhalten.
Für Amateurastronomen hat die Osterregel ebenfalls Folgen:
Wer die Osterferien zum Sterngucken nützen möchte, ist schlecht beraten. Denn dabei stört der Vollmond. Er stellt sich mit Garantie während der Osterferien ein.
Er strahlt dann vom weit ausgedehnten Sternbild Jungfrau auf uns herab.
Der Osterfestkreis
Mit dem Osterdatum bewegen sich auch andere Festtage durch den Kalender. Am 46. Tag vor Ostern beginnt mit dem Aschermittwoch die Fastenzeit. Asche gilt als Sinnbild der Vergänglichkeit und der Buße: Der Priester zeichnet Gläubigen deshalb ein Aschenkreuz auf die Stirn.Eine Woche vor dem Ostersonntag wird der Palmsonntag gefeiert, in Erinnerung an Jesu Einzug in Jerusalem. Das ist der Auftakt zur Karwoche. Das "Kar" ist mit dem althochdeutschen chara verwandt, das "Wehklage" oder "Trauer" bedeutet.
Drei Tage vor dem Ostersonntag gibt es den Gründonnerstag, wobei die Namensherkunft umstritten ist. Am Abend dieses Tags fand das erwähnte Pascha-Mahl statt.Dann folgt der Karfreitag, in Erinnerung an die Kreuzigung.
39 Tage nach dem Ostersonntag finden wir Christi Himmelfahrt im Kalender, 49 Tage danach Pfingsten.
Der Name "Pfingsten" beruht auf einer alten Entlehnung aus dem Griechischen, die schlicht "der Fünfzigste" bedeutet. Hier kommt eine inkludierende Zählweise zum Tragen, die das Ausgangsdatum, den Ostersonntag, mitrechnet.
60 Tage nach Ostern feiert man Fronleichnam, wobei das mittelhochdeutsche "vron" für "göttlich" steht.
Wo kommt unser Wort Ostern her?
Vor der Christianisierung feierte man das Fest der Licht- und Frühlingsgöttin Eostrae - dies behauptete jedenfalls der englische Kirchenhistoriker Beda Venerabilis im 8. Jahrhundert. Jacob Grimm nahm diesen Faden auf, nannte Bedas Eostrae aber Ostara.Ihr Name soll Verwandschaft mit der griechischen Göttin der Morgenröte, Eos, verraten. Allerdings ist mittlerweile umstritten, ob die Menschen eine Göttin des Namens Eostrae bzw. Ostara je kannten bzw. verehrten.
Eos mit ihrem Wagen - ein unbekannter Künstler schuf dieses Werk um 1820. Es hängt im LEMU, Langenzersdorf
Der Begriff "Ostern" könnte jedenfalls mit dem Wort "Osten" verwandt sein. In dieser Himmelsrichtung zeigt sich die Morgenröte, und aus dieser Richtung soll der biblische Messias einst auch wiederkehren.Aus diesem Grund ist die Längsachse zahlreicher Kirchen gegen Osten ausgerichtet: Ihr Altar befindet sich demnach an der Ostseite. Von dieser Ostausrichtung leitet sich wiederum unser Begriff Orientierung ab.
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