Novae - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Novae - Zwerge strahlen auf
Seit den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts unterscheiden Astronomen streng zwischen Novae und den viel leuchtkräftigeren Supernovae.

Auf dieser Seite geht es um Novae.


Zwerge in Begleitung

Die meisten Sterne sind Teil eines Doppel- oder Mehrfachsternsystems. Hier umkreisen einander also zwei oder mehr Sonnen. Deren Entwicklungstempo hängt im wesentlichen von der Anfangsmasse ab. Je mehr Materie ein Stern besitzt, desto rascher verzehrt er sich.
Der Stern Keid wird von einem Weißen Zwerg (links) und der wieder auf enger Bahn von einem Roten Zwerg umkreist. Keid wird in Mia. Jahren ebenfalls zum Weißen Zwerg
Der massenreichere Sterne durchläuft sein Leben schneller. Er bläht sich noch vor dem Begleiter zum Roten Riesen auf und endet vor diesem als Weißer Zwerg. Irgendwann folgt aber auch der massenärmere Stern diesem Schicksal.

Wenn er sich zum Roten Riesen aufplustert, mag ein Teil seiner ausgedehnten Hülle vom Weißen Zwerg angezogen werden. Das Raubgas bildet zunächst eine Scheibe um den Zwerg und stürzt dann aus dieser auf die Zwergenoberfläche herab. Dort verdichtet sich die Beute. Meine recht naive Computergrafik aus den frühen Neunzigerjahren illustriert diesen Prozess.
Aufgrund der enormen Hitze an der Zwergenoberfläche kommt es ab einer bestimmten Masse gestohlenen Materials zu einer thermonuklearen Reaktion. Der angesammelte Wasserstoff, also quasi das Raubgut vom Begleitstern, fusioniert plötzlich zu Helium - jetzt aber nicht im Kern, sondern auf dem Antlitz des Zwergs.

So kommt es zu einem gewaltigen Helligkeitsanstieg. Der Stern ist plötzlich einige tausend- bis einige zehntausendmal heller als zuvor. Vermeintlich erblicken wir einen völlig neuen Stern und sprechen von einer "Nova".

Solche Novae erreichen absolute Helligkeiten um -8 mag. Eine schnelle Nova in 1.000 Lichtjahren Abstand erschiene an unserem Himmel glanzvoll wie die hellsten Sterne. Selbst eine solche Nova in 20.000 Lichtjahren Abstand würden wir noch mit freiem Auge erspähen. Allerdings nimmt die Helligkeit im Lauf der nächsten Monate wieder ab.

Am 29.8.1975 erstrahlte eine solche Nova im Sternbild Schwan. Die Nova Cygni 1975 war mit 2 mag hell genug, um es sogar in die ORF-Nachrichten zu schaffen. Entsprechend alarmiert, sah ich sie wenige Stunden später selbst am Himmel.
Allerdings war ich damals gerade 16 geworden - was die schlechte Aufnahme hoffentlich entschuldigt. Das Stativ knickte außerdem während der viel zu langen Belichtung auf dem Parkplatz ein.


Wiederkehrende Novae

Mit einer einzigen oberflächigen Nova-Explosion muss nicht Schluss sein. In derzeit zehn bekannten Fällen sammelt sich nach Jahrzehnten wiederum genug Wasserstoff an der Oberfläche des weißen Zwergsterns an. Es kommt zu einem weiteren Nova-Ausbruch. Dann spricht man von einer rekurrierenden Nova.

Astronomen sind gewarnt, sofern sich die Ausbrüche in einem fixen zeitlichen Abstand wiederholen. Vor allem Amateurastronomen mustern die verdächtigen Objekte immer wieder und versuchen, aus geringfügigen Helligkeitsschwankungen auf bevorstehende Ausbrüche zu schließen.

Wiederkehrende Ausbrüche sind nicht ganz so kräftig, steigern die Sternhelligkeit aber z.B. aufs 2.500-fache.


RS Oph

Eine dieser rekurrierenden Novae ist der mehrere tausend Lichtjahre entfernte RS Ophiuchi im Schlangenträger - hier fotografiert am 11.8.2021 (Bildmitte).
Der normalerweise 12,5 mag dunkle RS Oph strahlte in den Jahren 1898, 1933, 1958, 1967, 1985, 2006 und 2021 kräftig auf. Dabei erreichte er zeitweilig Helligkeiten um 4,5 mag. Der nächste Ausbruch wird vielleicht in den Dreißigerjahren unseres Jahrhunderts erfolgen.
T CrB

Ein anderer Vertreter dieser Gattung ist der zur Zeit um 10 mag helle Stern
T Coronae Borealis (kurz: T CrB), also der Stern T im Sternbild Corona Borealis (Nördliche Krone). T CrB ist etwa 3.000 Lichtjahre entfernt. Hier tanzen ein Roter Riese und ein Weißer Zwerg mit 1,35 Sonnenmassen umeinander - und zwar im Lauf von 227 Tagen.
Noch unscheinbar: T CrB (Bildmitte) soll 2024 als Nova erstrahlen
Sammelt sich genug Wasserstoff des Roten Riesen auf der Zwergenoberfläche an, kommt es zu einem Ausbruch. Starke Ausbrüche erfolgen offenbar im Abstand von acht Jahrzehnten. Sicher beobachtet wurden zwei: 1866 und 1946. Weitere, mutmaßlich diesen Stern betreffende Berichte stammen aus 1787 und 1217.

Ab 2024 könnte es wieder so weit sein: T CrB mag dann plötzlich um 2 mag erstrahlen (wie 1975 die Nova Cygni). Diese rekurrierende Nova wäre dann etwa so hell wie der Hauptstern der Nördlichen Krone und würde die Form dieses Sternbilds dramatisch verändern. Die Grafik zeigt die Position von T CrB markiert von einem roten Kreuz:
Brad Schaefer von der American Association of Variable Star Observers (AAVSO) blickt dem nächsten Ausbruch voller Enthusiasmus entgegen - wie seine Youtube-Präsentation "Recurrent Nova T CrB - Coming Soon to a Sky Near Your" zeigt. In der ersten Woche der Eruption, so meinte er Ende 2023, würde sich wahrscheinlich die Hälfte aller professionell betriebenen Teleskope auf T CrB richten.

Und das muss rasch gehen: Innerhalb weniger Stunden wird die Helligkeit dieses Doppelsterns um das 1600-fache steigen, etwa eine Nacht lang auf diesem Niveau verharren und dann rasch, in bloß einer Woche, unter die Sichtbarkeitsgrenze fürs freie Auge sinken. Bald ist der Stern wieder so lichtschwach wie zuvor.

Falls Sie diesen Lichtrückgang nach erfolgtem Ausbruch mitverfolgen möchten, bietet die (auf Veränderliche Sterne spezialisierte) US-amerikanische AAVSO eine Karte mit nahen Vergleichssternen an. Die Zahlen geben deren Helligkeiten in mag an, wobei das Dezimaltrennzeichen aus Verwechslungsgründen unterdrückt wird (42 steht beispielsweise für 4,2 mag).

Mitglieder der Bundesdeutschen Arbeitsgruppe für Veränderliche Sterne (BAV) registrierten im März und April 2023 einen verräterischen Helligkeitsabfall ("pre-eruption dip"): Auch deshalb könnte es 2024 zu einem Nova-Ausbruch kommen!

Auf der Website der AAVSO (USA) sehen Sie brandaktuelle Helligkeitsmessungen für T CrB - die hier allerdings für unterschiedliche Farbbereiche gelten und außerdem unterschiedliche Verlässlichkeit aufweisen: Normalerweise ist der Stern im V-Band (v wie visuell) zwischen ca. 10,0 und 10,5 mag schwach.
U Sco

Im für uns einfach zugänglichen Nordteil des Sternbilds Skorpion, unweit von Beta Scorpii (Graffias), liegt diese wiederkehrende Nova. Beobachtet wurden acht Ausbrüche zwischen 1863 und 2022. Normalerweise ist sie um 18 mag schwach und damit selbst für fotografisch arbeitende Amateure kaum erreichbar. Am 6. Juni 2022 strahlte sie mit etwa 7,5 mag auf und war somit einige Tage lang ein leichtes Ziel.

Ich konnte sie am 11.6.2022 mit einem 500 mm Objektiv mit Blick übers Wiener Zentrum einfangen und sehr einfach mit Platesolve2 (USA) astrometrieren:

Offizielle Koordinaten (2000): 16h22m30,78s -17°52'42,8"
Gemessene Koordinatien:        16h22m30,8s  -17°52'42,4"

Lesen Sie weiteres auf der U-Scorpii-Website der AAVSO, einer US-amerikanischen Organisation für Beobachter variabler Sterne.
U Sco beim Ausbruch am 11.6.2022 - Summenfoto aus 182 gestackten Aufnahmen
Extragalaktische Novae - nur für Fotografen

Extragalaktische Novae sind Novae in anderen Galaxien. Doch selbst eine sehr helle Nova erschiene uns aus 2,5 Mio. Lichtjahren Abstand nicht heller als 16 mag. Und da sprechen wir erst von der allernächsten fremden Milchstraße, dem Andromedanebel M31. Dieser matte Schimmer reicht nicht für visuelle Beobachtungen am Fernrohr. Fotografen tun sich leichter.

Ein Spezialfall sind Novae in den beiden Magellanschen Wolken, die man als Satellitengalaxien unser Milchstraße betrachtet. Entfernungen: 163.000 bzw. 206.000 Lichtjahre. Eine dort aufstrahlende Nova wäre bestenfalls um 10 mag hell und somit im Amateurteleskop sichtbar. Allerdings stehen beide Wolken am Südhimmel. Von Österreich aus lassen sie sich nie blicken.

Hier finden Sie eine aktuelle Liste extragalaktischer Novae: Fast alle werden in M31 gefunden.
Galaktische Novae selbst beobachten

Bei einer Nova wird man Zeuge eines gewaltigen kosmischen Ereignisses.
Jedes Jahr kennt etwa ein halbes oder ein ganzes Dutzend solcher Erscheinungen. Nicht alle davon sind von unseren Breiten aus sichtbar. Angesichts einer Distanz von vielen tausend Lichtjahren braucht es für die meisten Novae außerdem ein Fernglas oder ein Teleskop. Nur wenige sind hell genug fürs freie Auge.

Eine aktuelle Liste dieser galaktischen Novae bietet dankenswerter Weise Koji Mukai (NASA). Internet-Adresse:

Eine ebenfalls laufend aktualisierte, weit in die Vergangenheit zurückreichende Liste von Bill Gray, dem Autor der formidablen Astronomie-Software Guide, findet man hier:

Diese Listen geben Sternbild, Position, Entdeckungsdatum und Spitzenhelligkeit an. Da Novae bald an Glanz verlieren, sollte man die Beobachtung möglichst bald nach der Entdeckung aufnehmen. Am besten, man legt sich einen Link auf Kojis Mukais oder Bill Grays Liste und ruft diese im Abstand weniger Tage immer wieder neu auf.
Am Entdeckungstag von mir astrometriert: Zwergnova AT2020saz im Adler, 14,5 mag

Man kann das Foto dann mit einer Sternkarte vergleichen. Solche lassen sich u.a. mit der US-Software GUIDE erstellen. Mithilfe der Astrometrie lässt sich der Ort der Nova auf dem Foto vermessen, womit eine sichere Identifikation möglich ist (Beispiele hier).

Wer nicht zögert, registriert vielleicht noch einen kurzen Helligkeitsanstieg nach der Entdeckung. Häufiger verfolgen Sternfreunde aber das Abklingen des Ausbruchs mit.

Eingeschworene Amateure schätzen die Helligkeit sogar an jedem Abend neu, kommen dabei im Vergleich mit anderen Sternen auf eine Auflösung von etwa 0,1 mag. Dies ist visuell am Fernglas möglich oder fotografisch - siehe Astrofotometrie.

Amateure melden ihre Messungen z.B. an die AAVSO, die American Association of Variable Star Observers - oder an die Fachgruppe "Veränderliche Sterne" der Vereinigung der Sternfreunde in Deutschland.
Mithilfe einer Kamera lässt sich die resultierende Lichtkurve sogar fotometrisch erfassen. Bei helleren Novae genügt dazu eine DSLR samt Fotostativ - wie das Einzelfoto der Nova Delphini (2013) oben belegt. Bei schwächeren Novae muss man durchs nachgeführte Teleskop fotografieren und die Verfahren der Deep Sky Fotografie anwenden.
Wir sehen Wasserstoff in der Farbe und im Spektrum

Im Teleskop erkennt man eventuell eine rosarbige Tönung, sofern das Auge genug Licht zum Farbsehen erhält. Das Foto der Nova Delphini (2013) lässt diese Tönung erahnen:
Der Grund für diese Kolorierung: Eine Nova gleißt speziell im Licht des Wasserstoffs. Dieser sendet Licht vor allem in zwei sehr engen Spektralbereichen aus: Die rote H Alpha Linie liegt bei 656 nm, die bläuliche H Beta Linie bei 486 nm. Im Mix erscheint uns die Nova rötlich oder rosafarbig.

Die beiden Emissionen traten u.a. im Spektrum der Nova Delphini hervor:
Auch Amateure können das Spektrum einer Nova festhalten. Dazu muss man ein Spektralgitter in den Strahlengang zwischen Teleskop und Kamera einbringen. Preiswerte Gitter wie der US-amerikanische Star Analyser besitzen 100 oder 200 ins Glas eingeritzte Linien pro Millimeter.
Hier das "Regenbogenband" beim Nova-Ausbruch des RS Ophiuchi: Die beiden erwähnten Wasserstoff-Emissionen sind abermals prominent. Mit spezieller Software wie dem US-Programm RSpec lassen sich Spektren auswerten.
Wie schnell breitet sich das Gas in alle Richtungen aus?

Die rote Wasserstoff-Alpha-Linie  in meinem Nova-Spektrum der Nova RS Oph ist viel zu breit. Tatsächlich stammt diese Breite vom Doppler-Effekt.
Spektrum der Nova RS Oph (Ausschnitt)
Die Wellenlänge der genau auf uns zu schießenden Gasmassen wird am meisten gegen Blau (hier im Ausschnitt nach links) verschoben, die der exakt radial von uns forteilenden hingegen am stärksten gegen Rot (hier nach rechts).

Je nach Richtung ergeben sich auch alle Werte dazwischen.
Nach der Formel v = c * (L-L‘)/L berechne ich aus der Breite der Linie eine radiale Gasgeschwindigkeit von etwa 3.500 km/s. Das sind 13 Mio. km/h.

Wie weit ist die Nova von uns entfernt?

Die absoluten Maximalhelligkeiten von Novae streuen meist zwischen -6 und -8,5 mag. Wir registrieren deren scheinbare Maximalhelligkeit. Diese hängt primär von der Entfernung des Sterns ab. Im Vergleich der beiden Helligkeiten kann man diese Distanz abschätzen. Die folgenden Tabelle geht von einer absoluten Maximalhelligkeit von -7,25 mag aus. Sie berücksichtigt keine Absorptionen durch interstellare Materie.

  • Maximale scheinbare Helligkeit versus Distanz

mag  Lichtjahre
0       900
1      1450
2      2300
3      3660
4      5800
5      9200
6     14600
7     23100
8     36600
9     58000
Ein uraltes QBasic-Programm berechnet u.a. Distanzen aus absoluten Helligkeiten
15 Tage nach dem Maximum sollen Novae außerdem sehr ähnliche absolute Helligkeiten um -5,5 mag zeigen. Auch dieses Faktum eignet sich zur Distanzabschätzung. Wieder bleibt die interstellare Absorption unberücksichtigt.

  • Scheinbare Helligkeit nach 15 Tagen

mag  Lichtjahre
0       410
1       650
2      1000
3      1630
4      2600
5      4150
6      6500
7     10300
8     16300
9     25000
QBasic-Routine zur obigen Berechnung
Beobachtungsaufgaben

  • Beobachten Sie eine Nova freiäugig, im Fernglas bzw. im Teleskop
  • Welche Farbe würden Sie ihr zuschreiben?
  • Schaffen Sie es, die Nova fotografisch festzuhalten?
  • Können Sie ihre Erddistanz grob abschätzen?
  • Wie nimmt die Helligkeit der Nova mit der Zeit ab?
Alle Angaben ohne Gewähr
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