Dunkelnebel
Emissionsnebel, Reflexionsnebel, Dunkelnebel und Offene Sternhaufen treten zeitweilig gemeinsam in ein- und derselben Himmnelsregion auf. Das ist kein Zufall, denn alle vier haben mit dem Geburtsvorgang von Sternen zu tun.
Barnards dunkler Katalog
Wir haben auf der Seite über die Emissionsnebel bereits diskutiert, wie Sterne zu Hauf in dahintreibenden, mit Staub versetzten Molekülwolken geboren werden. Bevor die Sterne aufstrahlen, sind diese Wolken einfach nur dunkel. Sie emittieren kein Licht. Im lichtlosen All ist Dunkles für Amateurastronomen nicht zu sehen - es sei denn, es liegt einer Shilouette gleich vor hellerem Hintergrund.
Der aus Nashville stammende US-Astronom Edward Emerson Barnard hatte Ende des 19. Jahrhunderts entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Astrofotografie. Er entlarvte das kosmische Schattenspiel. Barnard gelang der Nachweis, wonach dunkle Stellen am Himmel nicht einfach sternarme "Leerräume" darstellten - sondern in Wahrheit mit lichtabsorbierendem Staub und Gas gefüllt sind.
Barnards Pfeilstern (Bildmitte)
Ganz nebenbei:
Barnard entdeckte im Schlangenträger einen Roten Zwergstern mit besonders hoher Eigenbewegung - nämlich 10,4 Bogensekunden pro Jahr.
Amateure können diesen steten Positionswechsel von Barnards Pfeilstern mit astrometrischen Mitteln bereits nach mehreren Monaten nachweisen.
Barnard erstellte einen ersten Katalog mit Dunkelwolken. Dieser wurde später um weitere Eintragungen ergänzt. Dank Barnards Catalogue of 349 Dark Objects in the Sky tragen Dunkelnebel seit 1927 Katalogbezeichnungen wie B33 (bzw. Barnard 33), des Umrisses wegen auch Pferdekopfnebel genannt. Oder B71 (Schlangennebel), B84a (Dunkelwolke in M20, dem Trifid-Nebel), B86 (Papageienkopfnebel), B87 (Dunkelwolke in M8, dem Lagunennebel) oder B150 (Seepferdchennebel).
Hier die Liste mit Barnards Nebel in der deutschsprachigen Wikipedia. 1962 erstellte der US-Amerikaner Beverly T. Lynds einen weiteren Katalog der Dunkelnebel (mit vorangestelltem Kürzel LDN; hier in der englischsprachigen Wikipedia).
Scherenschnitte vor Emissions- und Reflexionsnebeln
Dunkelnebel, auch Dunkelwolken genannt, machen sich aber als Scherenschnitt vor sternreichen Regionen bemerkbar. Sie bestehen primär aus molekularem Wasserstoff und winzigsten Silikatteilchen, die mit Kohlenstoffmonoxid- und Stickstoffeis überzogen sind. Beim “Schlucken” des Sternenlichts erwärmen sich die ultrafeinen Partikel um etwa 20 Grad C. Deshalb senden sie Submillimeter- und Infrarotstrahlung aus und verraten etwas über ihre Eigenschaften. Ihre chemischen Elemente stammen zum Teil aus unterschiedlichen Sterntypen; viele kondensierten in den kühlen Gashüllen Roter Riesensterne aus.
Bei bestimmten IR-Wellenlängen wird der Staubvorhang sogar transparent. Das eröffnet professionellen Himmelsforschern einzigartige Möglichkeiten. Amateure müssen sich hingegen mit Schattenrissen begnügen.
Diese können freilich recht spektakulär wirken, falls sie Emissionsnebel scheinbar durchtrennen oder für scharfe Begrenzungen sorgen: Dunkelnebel gestalten den Umriss der Lichtwolken mit und sind die Ursache für deren fantasievolle Eigennamen.
Mein (schlechtes) M20-Foto
So durchzieht eine Dunkelwolke etwa den M20 im Schützen. Aufgrund seiner deshalb dreigeteilt (lat.: trifidus) anmutenden Gestalt schenkte man ihm den Namen Trifidnebel. Im Sternbild Schwan bedeckt Staub Teile des Nebels NGC 7000: Dessen Umriss ähnelt daher dem nordamerikanischen Kontinent (Nordamerikanebel).
Vor dem Emissionsnebel IC 434 im Orion ahmt eine Dunkelwolke einen Pferdekopf samt Hals und Mähne nach (Pferdekopfnebel). Außerdem gibt es z.B. den Konusnebel im Sternbild Einhorn, der mit dem Weihnachtsbaum-Sternhaufen verwoben ist. Das ganze Sternentstehungsgebiet trägt die Bezeichnung NGC 2264.
Beobachtungsobjekte
Um Dunkelnebel im Teleskop aufzustöbern, kann man also einfach Emissionsnebel nach scheinbaren Anormalitäten mustern.
Die Große Bucht im Orionnebel
Wie man annehmen sollte, blendet der zarte Lichtschimmer der Emissionsnebel verlaufend ins lichtlosere All über - wie wir es im Teleskop z.B. im Süden und Westen des Orionnebels M42 beobachten.
Doch auf seiner anderen Seite erscheint der Nebel hart begrenzt. Im Norden schiebt sich sogar die eckig anmutende, dunkle Große Bucht (lat.: Sinus Magnus) in den Nebelschein.
Wo Lichtnebel harte Kanten zeigen, von etwas Dunklem durchzogen sind oder dunkle Einbuchtungen besitzen, hat man es offensichtlich mit shilouettierenden Dunkelnebeln zu tun.
Oft sind all die folgenden Erscheinungen bloß unterschiedliche Aspekte von ein und derselben Molekülwolke: Ein Abschnitt strahlt, von jungen Sternen angeregt (Emissionsnebel); ein anderer streut das Licht heißer Sonnen bloß (Reflexionsnebel); ein weiterer verdeckt aus unserer Perspektive eine Region dieses Lichtschimmers (Dunkelnebel).
Dunkelwolke in M8, dem Lagunennebel
Darunter befinden sich die dunklen Strukturen in den schon erwähnten Emissionsnebeln M8 (Lagunennebel) und M20 (Trifidnebel) im Schützen sowie M42 (Orionnebel) und der IC 434 - das ist der Nebel mit dem dunklen Pferdekopf im Orion.
Außerdem führt Ronald Stoyan für den Nordhimmel die Barnard-Nebel B142-3 (Adler), B68 (Schütze), B168 (Schwan), B50 (Skorpion) und B103 (Schild) an. In den Sternbild-Rubriken seines Deep Sky Reiseführers finden sich weitere Tipps.
Vor Milchstraßensternen
Selbst außerhalb solcher Dunkelnebel stößt das Licht eines Sterns immer wieder auf Staubteilchen. Das ermüdet. Nach ein- bis zweitausend Lichtjahren Reise büßt der Lichtstrahl schon die Hälfte an Kraft ein: Besonders arg verstaubt ist die Zentralebene unserer Galaxis, wie der Blick zur Milchstraße beweist.
An sich setzt sich das matte Milchstraßenband aus dem Schein unzähliger schwacher Sternchen zusammen. Doch in den Sternbildern Pfeil, Adler und Schlange klafft ein breiter Riss. Dort vereitelt dichter Staub den Blick aufs Sternengewimmel. Dieser dunkle, große Spalt wird im Englischen Great Rift genannt (mitunter auch Dark River).
Eine Spalt in der sommerlichen Milchstraße: The Great Rift (Grafik erstellt mit Guide 9.1)
Fern der Stadt zeigt das freie Auge dort weniger Milchstraßenglanz, ein Fernglas präsentiert hier deutlich weniger Sterne. Ähnlich ist es das nahe dem Stern Deneb im Schwan, wo es ebenfalls eine sternarme Stelle zu geben scheint (Spitzname: Nördlicher Kohlensack). Am Südhimmel existiert der noch berühmtere Kohlensack: Dieser dunkle Fleck im Sternbild Kreuz des Südens (lat.: Crux) misst immerhin 7 mal 4 Winkelgrad.
Dunkelwolken der Milchstraße. In der Mitte des Ultraweitwinkelfotos: Der nördliche Kohlensack
Beobachtungstechnik und Fototipps
Um Dunkelwolken vor Emissionsnebeln zu erspähen, muss man den Kontrast steigern. Man wird also versuchen, den Himmelshintergrund möglichst dunkel, den Lichtnebel aber möglichst "hell" zu sehen. Das gilt für die visuelle Beobachtung im Teleskop ebenso wie für die fotografische. Näheres dazu finden Sie auf der Seite über die Beobachtung der Emissionsnebel.
Die Vergrößerung richtet sich nach dem jeweiligen Objekt, bleibt in der Regel aber vergleichsweise bescheiden. Um die ausgedehnten Dunkelwolken in der Milchstraße zu erspähen, empfiehlt sich des weiten Bildfelds wegen sogar ein Fernglas. Fotografen werden hier Weitwinkelobjektive einsetzen.
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