Irradiation - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Irradiation
Immer wieder meinten Menschen, sie könnten die Größe von Fixsternen mit freiem Auge abschätzen. Doch dabei saßen sie einem Phänomen auf, das man Irradiation nennt.
Auf der Grafik rechts erscheint der linke Stern nicht nur heller, sondern auch größer.
Doch das ist ein Trug, wie die vierfach vergrößerte Darstellung derselben Grafik zeigt. Beide "Sterne" sind exakt gleich groß.
Dies nicht ahnend, muteten dem dänischen Astronomen Tycho Brahe helle Sterne im Jahr 1596 z.B. sechsmal so groß wie schwache. 1632 entlarvte Galileo Galilei das als Täuschung: Er führte den Effekt auf einen im Auge entstehenden Strahlenkranz zurück, der vorzugsweise bei hellen Himmelslichtern auftreten sollte.
Deshalb ließ Galileo Galilei die auffällige Wega (Artikel über diesen Stern; Foto rechts) im Sternbild Leier hinter einer gespannten Schnur verschwinden, maß dann die Distanz vom  Auge zur Schnur.

Wegas Durchmesser würde, so der Italiener, weniger als fünf Bogensekunden betragen.
Das war höchstens ein Vierundzwanzigstel des Brahe’schen Werts. So klein erschiene einem Wiener ein  erwachsener Mensch in München (350 km Abstand). In Wirklichkeit lassen sich Sterndurchmesser aber nur mit Spezialinstrumenten messen. Sie wären für jedes Amateurteleskop zu winzig.
Aber warum sehen wir Sterne dann überhaupt?

Wir erinnern uns sicher an Diavorträge, wo im Schein des Projektors schwebende Staubteilchen aufleuchteten - so als hätten wir ein Jahr lang aufs Staubsaugen vergessen. Jedes dieser hellen Teilchen wird vor dunklem Hintergrund übergroß wahrgenommen. Selbst dann, wenn sein wahrer Durchmesser unter der Auflösungskraft des Auges läge!

Der deutsche Physiologe Hermann von Helmholtz taufte dieses Phänomen „Irradiation“ (von lat., irradio, bestrahlen).
Nur der Irradion wegen erblicken wir Sterne am Himmel! Ihretwegen und aufgrund der Beugung am Pupillenrand nehmen wir helle Sterne sogar mit einem scheinbaren Durchmesser von etwa 2 Bogenminuten wahr (das ist immerhin 1/30 eines Winkelgrads bzw. 1/15 des Vollmonddurchmessers).
Deshalb ordnete man die Sterne - je nach ihrer Helligkeit - ursprünglich nach Größenklassen; daraus entwickelte sich die moderne, logarithmische Helligkeitsskala.

Die Irradiation macht sich auch im Zusammenhang mit dem Erdschein-Phänomen bemerkbar.
Ohne Irradiation würden wir nicht einmal die hübschen Saturnringe beobachten können.

Denn die Durchmesser der im Sonnenlicht badenden Ringteilchen sind selbst fürs beste Teleskop zu klein.
Übrigens soll die Irradiation auch mitbewirken, dass uns dunkle Kleidung scheinbar schlanker macht. Dies war im Grunde schon Leonardo da Vinci aufgefallen. Wie er bemerkte, muteten die Abstände zwischen Burgzinnen weiter an als die gleich großen Zinnen selbst, wenn Licht durch die Lücken fiel. Helles trägt eben auf.

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