Nach Sonnenuntergang: Die Dämmerung
In meinem Buch Helden des Himmels bezeichne ich die Dämmerung als tägliches Naturwunder ersten Ranges. Hier finden Sie weitere Literaturtipps.
Aus dem Licht eines Gestirns, z.B. des Mondes, wird umso mehr Blau heraus gestreut, je länger der Weg seiner Strahlen durch die Atmosphäre wird. Gleichzeitig wird das Licht auf dem Weg durch die Lufthülle geschwächt. Am Horizont ist dieser Weg 39 mal länger als am Himmelsscheitel. Daher verändert die Extinktion die Lichtintensität und Farbqualität hin zu gelb, orange oder rot.
Der Blick nach Westen
Ist die Sonne unter dem Horizont versunken, stehen wir im Schatten der Erde - also im Erdschatten. Die Luft über uns wird aber noch von den Sonnenstrahlen getroffen. Sie legen dabei einen unterschiedlich weiten Weg durch die Atmosphäre zurück. Die niedrigsten Luftschichten über unseren Köpfen erhalten arg geschwächtes, stark gerötetes Licht; die höheren weniger geschwächtes und farblich neutraleres.
Die solcherart beleuchtete Luft streut das unterschiedlich stark geschwächte und unterschiedlich stark gefärbte Licht nun mit unterschiedlicher Effizienz vorwärts, rückwärts und seitwärts (siehe Streuung). Alle Effekte zusammen führen zu den zunächst farbigen Dämmerungserscheinungen mit hübschen Tönungen. Etwaige Wolken dienen anfangs als zusätzliche Leinwand und sorgen für besondere Dramatik.
Das Spiel ist dynamisch, weil die Sonne immer tiefer sinkt und sich damit die Beleuchtung der Luft über uns von Minute zu Minute ändert. Außerdem findet die Streuung mit zunehmender Sonnentiefe bald nicht mehr an den niedrigen troposphärischen Luftteilchen und Aerosolpartikeln statt, sondern an den höheren stratosphärischen. Wer sich dafür näher interessiert, dem sei Kurt Bullrichs Buch "Die farbigen Dämmerungserscheinungen" empfohlen.
Den reichsten Farbenzauber erleben wir dank der Vorwärtsstreuung (und Seitwärtsstreuung) im Westen, über dem Untergangspunkt der Sonne bzw. etwas rechts davon. Über dem Farbenspiel geht der Dämmerungshimmel schließlich in dunkleres Blau über.
Der Blick nach Osten
Auch der Blick gen Osten lohnt. Zuerst steigt in jener Richtung, die der versunkenen Sonne genau gegenüber liegt, der Erdschatten auf. Er klettert höher und höher - als düster-graue Zone, die sich später im Dunkel auflöst.
Wegen der erwähnten Rückwärtsstreuung tritt über dem Erdschattenrand im Osten die Gegendämmerung auf. Auch sie ist farbig, bestitzt aber deutlich weniger Brillanz als ihr auffälligeres Westpendent. Der purpurne Streifen über dem Erdschattenrand wird mitunter "Gürtel der Venus" genannt.
Die drei Dämmerungen
Neben der Anzahl und Größe der Schwebeteilchen, die unter anderem von der Höhe über dem Erdboden abhängt, ist die aktuelle Sonnentiefe der bestimmende Faktor. Man unterscheidet danach zwischen drei Arten von Dämmerung: bürgerliche, nautische und astronomische.
Während der bürgerlichen Dämmerung kann man noch Zeitung lesen. Die Sonne steht dabei 0 bis 6 Grad unter dem Horizont.
Während der anschließenden nautischen Dämmerung tauchen erste Sterne auf, während die Horizontlinie noch klar sichtbar ist. Früher maßen Seeleute zu dieser Zeit die Sternhöhen, um daraus die Schiffsposition zu bestimmen. Sonnentiefe: 6 bis 12 Grad.
Während der wiederum anschließenden astronomischen Dämmerung treten schwache Sterne hervor. Der Himmelshintergrund ist anfangs schwarzblau, dann schwarzgrau. Sonnentiefe: 12 bis 18 Grad.
Die astronomische Nacht tritt ein, sobald die Sonne 18 Grad und mehr unter dem Horizont steht. Nun wird es nicht mehr dunkler. Nach Mitternacht wiederholt sich das ganze Spiel in umgekehrter Reihenfolge, wobei zunächst das Morgengrauen als farblose Aufhellung im Osten in Erscheinung tritt.
In Großstädten wie Wien gibt es die astronomische Nacht allerdings längst nicht mehr. Der lichtbesudelte Himmel bleibt aufgehellt, als lebten wir nachts in beständiger Dämmerung.
Dämmerung und Mond
Etwas vereinfacht gesagt gilt: Der zunehmende Mond weilt bei Sonnenuntergang schon am Himmel, der abnehmende Mond taucht erst nach Sonnenuntergang auf. Zu Vollmond steht der Mond der Sonne genau gegenüber (ganz genau ist es nicht, wegen der zur Sonnenbahn geneigten Mondbahn und wegen eines atmosphärischen Effekts, "Refraktion" genannt).
Etwas vereinfacht gesagt gilt: Der zunehmende Mond weilt bei Sonnenuntergang schon am Himmel, der abnehmende Mond taucht erst nach Sonnenuntergang auf. Zu Vollmond steht der Mond der Sonne genau gegenüber (ganz genau ist es nicht, wegen der zur Sonnenbahn geneigten Mondbahn und wegen eines atmosphärischen Effekts, "Refraktion" genannt).
Will man den Mond während der Abenddämmerung aufgehen sehen, muss man bis zum Vollmondtermin bzw. bis wenige Tage danach warten.
Fototipps
Um Dämmerungserscheinungen aufzunehmen, genügt eine Kamera mit Weitwinkelobjektiv. Mit Fortschreiben der Dämmerung empfiehlt sich ein Stativ.
Um Dämmerungserscheinungen aufzunehmen, genügt eine Kamera mit Weitwinkelobjektiv. Mit Fortschreiben der Dämmerung empfiehlt sich ein Stativ.