Atmosphärische Refraktion und Dispersion
Unsere Lufthülle hebt alle Objekte scheinbar ein wenig in die Höhe. Die Stärke dieser Refraktion (lat., etwa "zurück brechen") ist abhängig von der Luftmasse, die ein Lichtstrahl durchmessen muss.
Im Zenit ist die Luftmasse "1", am Horizont beträgt sie das 39-fache. Im Zenit beträgt die Anhebung eines Himmelsobjekts null Winkelgrad, in halber Himmelshöhe (45 Grad) eine Bogenminute (1/60 Grad). Fünf Grad über dem mathematischen Horizont werden Gestirne aber bereits 10 Bogenminuten (1/6 Grad) angehoben. Der Effekt nimmt mit sinkender Höhe rasch zu.
Am mathematischen Horizont beträgt die mittlere Refraktion 35 Bogenminuten, das ist etwas mehr als der Durchmesser der Mondscheibe.
Verfolgen wir den Monduntergang über dem Meer: Küsst der untere Mondrand gerade die Wasseroberfläche, so ist der Mond in Wahrheit bereits zur Gänze untergegangen.
Die Refraktion nimmt nahe am Horizont dramatisch zu. Der untere Rand eines Objekts unterliegt ihr deutlich mehr als der obere, noch etwas höher liegende. Der untere Rand wird somit stärker angehoben als der obere.
Deshalb wirkt der Mond in Horizontnähe abgeplattet.
(Dass uns die Mondscheibe nahe am Horizont dennoch größer anmutet als in höheren Gefilden, ist ein psychologischer Effekt, über dessen Zustandekommen sich treffend streiten lässt)
Die mittlere Stärke der Refraktion hängt von der Höhe des Gestirns ab. Es existieren einschlägige Tabellen. Tatsächlich bestimmen aber auch die aktuellen Temperatur- und Druckwerte den Brechungsindex der Luft mit. Da in unterschiedlichen Höhen über dem Boden unterschiedliche Temperaturen herrschen, weichen die realen Refraktionswerte vom errechneten Mittelwert ab.
Wir können auch das sehr gut beobachten - an den unregelmäßigen Verformungen des Mondes knapp über dem mathematischen Horizont.
Die mittlere Stärke der Refraktion ist zudem von der Wellenlänge des Lichts abhängig - ein Phänomen, das atmosphärische Dispersion heißt. Blaues Licht wird stärker angehoben als rotes. Nahe dem Horizont sieht man einen Planeten selbst im besten Teleskop deshalb oben mit einem blaugrünen Rand umgeben, unten mit einem roten.
Dieser Effekt verwischt Details der Abbildung und wirkt somit bildverschlechternd.
Bei Planetenfotos lässt man die atmosphärische Dispersion meist von der Software wegrechnen.
Man kann ihr aber auch mit einem Gerät begegnen, das Atmospheric Dispersion Corrector (ADC) genannt wird.
Der ADC wird zwischen Teleskop und Okular (bzw. Planetenkamera) gesteckt. Inhalt sind zwei sehr dünnen Prismen, die im passenden Ausmaß gegeneinander verdreht werden. Näheres dazu lesen Sie hier.
Die atmosphärische Refraktion bricht bei Mondfinsternissen übrigens Sonnenstrahlen in den eigentlich stockdunklen Erdschatten hinein und hellt so den total verfinsterten Mond ein wenig auf. Weil auf dem tangentialen, besonders langen Weg durch die Erdamtosphäre blaues Licht verlustig gerät, gelangt vorwiegend gerötetes in den Erdschatten - weshalb der Mond während der Totalität ganz schwach orangefarbig, blutrot oder kupferrot schimmert.
Fototipp
Die Refraktion macht sich sowohl im Regenbogen, als auch beim Mondauf- bzw. Untergang bemerkbar. Für Regenbögen braucht es ein wirkliches Weitwinkelobjektiv; aber auch ein Tele kann interessante Eindrücke festhalten. In letzterem Fall ist ein Stativ angeraten. Letzteres gilt auch für Aufnahmen des Mondauf- bzw. Untergangs.