Kosmische Strahlung - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Die kosmische Strahlung
  • Meine neueren Messungen finden Sie hier.


Die ersten Erdsatelliten hoben mit Instrumenten zur Messung der Kosmischen Strahlung ab. Sie wird vor allem aus Protonen, Alpha-Teilchen und Elektronen gebildet. Der Großteil dieser Teilchen hat eine lange Reise hinter sich. Schwarze Löcher, Neutronensterne und Supernova-Überreste besitzen extrem starke Magnetfelder. Sie arbeiten gleichsam als natürliche Teilchenbeschleuniger.

In ihrem Umfeld wird Materie gepackt, ionisiert und bis fast an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Magnetfelder innerhalb unserer Milchstraße stören den Flug, weshalb die geladenen Partikel aus allen Richtungen einzutreffen scheinen.
Als Sohn des fürstlichen Forstmeisters wuchs der spätere Nobelpreisträger Viktor Hess im steirischen Schloss Waldstein auf.

Alle Fotos und Grafiken © Pinter
Entdeckt wurde die kosmische Strahlung, einst "Höhenstrahlung" genannt, vom Österreicher Viktor Hess - und zwar während abenteuerlicher Ballonflüge (Artikel). Dass die Strahlung nur hoch droben stark wirkt, hat seinen Grund. In Höhen um etwa 20 km stoßen die Teilchen nämlich mit atmosphärischen Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen zusammen. Sie werden dadurch heftig abgebremst.

Allerdings entstehen bei diesem Prozess jeweils ganze Schauer neuer Partikel: Man spricht dann von der Sekundärstrahlung. Sie kommt zumindest teilweise bis zum Erdboden durch. Dort addiert sie sich zu jener Komponente der natürlichen Radioaktivität, die vor allem aus dem Boden, von Baumaterialen oder von Nahrungsmitteln herrührt.
Das österreichische Umweltministerium misst die gesamte (also die terrestrische plus kosmische) Dosis an etlichen Orten Österreichs:  Aktuelle Werte
Ganz allgemein betrachtet, stammt etwa ein Drittel der radioaktiven Belastung ursächlich aus dem Kosmos. In Orten wie Zwettl oder Perg ist der Boden für die höheren Dosen verantwortlich. In hohen Lagen wie dem Sonnblick macht sich hingegen die kosmische Strahlung deutlicher bemerkbar.

In Wien liegt die gesamte natürliche Strahlungsdosis (Boden, Luft, kosmische Strahlung) bei 0,1 Mikrosievert (abgekürzt oft uSv); das sind 100 Nanosievert (abgekürzt nSv) und somit sehr wenig. Bei Regen steigt sie hier auf grob 150 bis 160 Nanosievert an.
Hier finden Sie Karten mit aktuellen Messwerten:

Nicht erschrecken: Manche Karten präsentieren zunächst nicht die Dosis, sondern bloß die Zahl der Messstellen: In diesem Fall muss man stark hineinzoomen, um tatsächlich Dosiswerte zu erhalten.
Die Sekundärstrahlung selbst messen - erste Versuche
In typischen Reiseflughöhen übernimmt die kosmische Strahlung die Regie. Airline-Crews und Vielflieger sind somit stärkeren Belastungen ausgesetzt (Artikel).

Interessierte können das beim Urlaubsflug selbst feststellen, sofern sie über ein entsprechendes Messgerät verfügen. Da die Strahlung in Reiseflughöhe einige Dutzendmal zunimmt, genügen schon billige Geräte (ab etwa 100 Euro) für den Nachweis. Manche zeigen die Werte nur direkt an, andere speichern sie zusätzlich auch in wählbaren Intervallen.

Ich habe den Effekt mittlerweile mehrmals gemessen, z.B. auf der Strecke Wien - Athen.
In großen Höhen lässt man einen Gutteil der Luft, die am Boden vor der kosmischen Strahlung schützt, unter sich. Deshalb sprach ihr Entdecker Hess auch von der "Höhenstrahlung".
Zunächst war nur das deutsche RadRate im Einsatz, das für Alpha-, Beta- und Gammastrahlung empfindlich ist. Hauptproblem war die äußerst geringe Strahlung am Boden, gemessen in der Flugzeugkabine und am Vorfeld beider Airports. Bei bestenfalls einem registrierten Strahlungstreffer pro Minute ergab sich ein recht unsicherer Vergleichswert.
Radrate in Aktion: Jedes Aufleuchten der roten LED signalisiert einen Strahlungstreffer. Am Boden registriere ich einen Treffer pro Minute. Jedoch in Reiseflughöhe ...
Später nahm ich dann auch das russische Masmer-1 mit. Es ist zwar für Alpha-Strahlung blind, wegen der kürzeren Messzeit beim Fliegen aber praktischer zu handhaben. Ganz reliabel sind die angezeigten Werte nicht, wie die Streuung deutlich macht. Dennoch war auch hier die Zunahme der Dosis während des Aufstiegs eindrucksvoll.
Anders als beim RadRate, das auf einen Halbleiter-Sensor setzt, ist beim Masmer-1 ein Zählrohr eingebaut.
Leider konnte ich die Messergebnisse nur selten mit Höhenangaben in Beziehung setzen, da ich diese nur über das Bordinformationssystem bezog. Und das wurde allzu rasch zugunsten eines Spielfilms abgeschaltet.
Streuung und spärliche Höhenangaben mindern die Aussagekraft. Was für den Flugpassagier eine kurzzeitige Belastung bedeutet, ist Alltag für Airline-Crews.
Hier sind die Ergebnisse der einzelnen Messungen während des Steigflugs einfach hintereinander aufgetragen, als ob sie ohne Pause erfolgt wären.
Fazit nach vier Flügen: Meine Messergebnisse zeigten in Reiseflughöhe (11.900 m) eine 20 bis 30 mal stärkere Dosis als am Boden beider Airports. In der Literatur findet man selbst bei kontinentalen Flügen sogar noch deutlich höhere Werte.  
Messungen auf der Strecke Wien - Florenz - Wien
Meine nächsten Flüge gingen von Wien nach Florenz und zurück, weil ich dort über Galileo Galilei recherchierte. An Bord wollte ich erstmals einen GPS-Tracker einsetzen - den TripRecorder 747 Pro. Er sollte u.a. automatisch die Flughöhe loggen. Leider konnte er in der Flugzeugkabine keine Satelliten empfangen. Daher holte ich mir diese Daten nachträglich bei flightradar24.com ab.
Zur Strahlungsmessung setzte ich den neuen Geiger-Zähler GMC-320 Plus ein. Er zeigt die Werte z.B. in Mikrosievert an und speichert sie gleichzeitig auch ab.
Das Gerät kostet um die 125 Euro. Baubedingt misst es keine Alphastrahlung. Es ist aber empfindlich genug, um auch die natürliche Hintergrundstrahlung am Boden messen zu können - wie das Foto belegt.

Dabei summiert es die Anzahl der in jeder Minute registrierten Strahlungstreffer (Counts per Minute, CPM) auf. Die so geloggten Strahlungsdaten lassen sich samt Uhrzeit mit dem Programm GQ GMC Data Viewer auslesen. Die Umrechnung in Nanosievert erfolgte nach der gerätabhängigen Formel nSv = CPM / 1,5.
Der Schatten der Dash 8 Q400 knapp vor dem Aufsetzen in Florenz   
Im folgenden sehen Sie die fertige Auswertung: Oben für den Flug von Wien nach Florenz, unten für den Rückflug von Florenz nach Wien. Beim Hinflug erreichte die Dash 8 Q400 - eine zweimotorige Turboprop-Maschine - maximal 23.000 Fuß (7.000 Meter), beim Rückflug 24.000 Fuß. Die blaue Kurve zeigt die Höhe zum Zeitpunkt der Messung. Wo sie unterbrochen ist, fehlen Höhendaten.

Wegen der bescheidenen Flughöhe blieb die Strahlung (rote Kurve) relativ gering: Der Durchschnittswert in Reiseflughöhe lag bloß 7,4 mal über dem am Boden.
In Reiseflughöhe pendelte die Dosis beim Hinflug um 740 nSv, beim Heimflug um 820 nS (= 0,82 MikroSiervert). Der zweite, etwas höhere Werte könnte dem um 330 Meter höheren Flightlevel geschuldet sein.
In die folgende Grafik gingen sämtliche Messungen beider Flüge ein. Sie zeigt die gemessene Strahlung in direkter Abhängigkeit zur Flughöhe. Jeder Punkt ist ein Messwert. Die vier dicken Punkte repräsentieren hingegen jeweils den Mittelwert einer ganzen Serie von Messungen - in Höhen, in denen sich die Maschine länger aufgehalten hat. Das war am Boden in Wien und in Florenz sowie in den beiden maximal erreichten Reiseflughöhen.
Wie man sieht, nimmt die Strahlung mit steigender Höhe zunächst langsam, dann aber rasch zu.
Messungen auf der Strecke Wien - Pisa sowie Venedig - Wien
Im Herbst 2017 flog ich neuerlich mit dem GMC 320Plus im Handgepäck. Auf der Route Wien-Pisa bekam die Geiger-Röhre in der maximalen Flughöhe von 35.000 Fuß (10.670 km) im Mittel 20 bzw. 27 x mehr Treffer ab als am Boden.
Laut der geräteinternen Umrechnung entspricht das 2,2 Mikrosievert.
Deutlich zu erkennen ist außerdem das kurzzeitige Verweilen in 19.000 Fuß. Auch die kosmische Strahlung blieb hier relativ konstant und hielt beim gut Fünfachen des pisaner Bodenwerts (umgerechnet 0,487 Mikrosievert). Gemessen wurde in Counts per Minute (CPM) an Bord eines A 320.
Auf dem kurzen Rückflug vom Airport in Venedig nach Wien maß ich in einer Fokker 100. Diesmal fiel die maximale Flughöhe mit 29.000 Fuß (8.840 km) bescheidener aus. Entsprechend kletterte der CPM-Wert dort im Mittel nur auf das 14-fache relativ zur Messung am Boden (umgerechnet sind das 1,38 Mikrosievert). Man beachte übrigens den rasanten Sinkflug.
Beim Aufsteigen und beim Absteigen der Maschine kommt der GMC 320 nicht mehr nach. Er kumuliert ja die Strahlungstreffer einer ganzen Minute, während die Maschine in diesem Zeitintervall ganz beachtlich an Höhe gewinnt bzw. verliert, wie die Daten von Flightradar24.com belegen. Theoretisch könnte man mit einem kürzeren Sampling eine höhere Auflösung erzielen. Aufgrund des stochastischen Charakters der Strahlungstreffer erhielte man dann aber wohl sehr schwankende Werte.

Die Vergleichsdaten am Boden wurden ebenfalls in der Kabine gewonnen. Ich maß dazu vor dem Abheben und nach dem Aufsetzen der Maschine, jeweils bis zu 10 Minuten lang. Aus den Einzelmessungen bestimmte ich anschließend den Mittelwert.

Noch dramatischer wirkt die kosmische Strahlung übrigens auf Astronauten im Erdorbit oder gar außerhalb der Erdmagnetosphäre - also auf dem Weg zum Mond bzw. Mars - ein (Artikel).
Beobachtungsaufgaben
Mittlerweile gibt es auch Apps und Zusatzgeräte für Smartphones, die die kosmische Strahlung messen wollen. Vielleicht lohnen sich einschlägige Versuche.
  • Gelingt es Ihnen, die kosmische Strahlung beim Fliegen mit vergleichsweise einfachen Messgeräten nachzuweisen ?
  • Welchen Anstieg der Strahlungsdosis regstrieren Sie ?
  • Wie hängt dieser genau mit der Höhe zusammen ?
  • Ist das Strahlungsmaximum bei Langstreckenflügen anders als auf der Kurzstrecke?
  • Falls ja - warum wohl?
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