Galileo Galililei und der Mond
Im Herbst 1609 richtete Galilei ein von ihm angefertigtes Teleskop mit 30-facher Vergrößerung zum Mond. Dabei bot sich ihm ein überraschender Anblick.
Galilei visierte die Linie an, welche die gerade noch in der Mondnacht schlummernden Gebiete von jenen trennt, die nun seit gut zwei Wochen im Sonnenlicht gebadet hatten.
Links: Mondzeichnung aus Galileis Sidereus Nuntius. Alle Fotos © Pinter
Diese Trennlinie, Terminator genannt, schiebt sich am Mondäquator täglich um 370 km weiter, also mit gemächlichen 15 km/h. Das ist rund hundertmal langsamer, als jenes Tempo, mit dem die Dämmerungszone über unseren Planeten jagt.
Wäre es nach dem antiken Gelehrten Aristoteles gegangen, hätte der Terminator eine glatte Kurve bilden müssen - so, als hätte man eine halbe Ellipse mit dem Kurvenlineal gezogen. Denn die Himmelskörper waren seiner Meinung nach ideale, glatte Kugeln, die aus einem ganz anderen Element bestanden als die Erde.
Doch Galilei sah keine "gleichmäßige ovale", sondern eine "ungleichmäßige, unebene und ziemlich ausgebuchtete Linie".
Leuchtende Teile reckten sich Auswüchsen gleich über den Terminator in die Finsternis vor, dafür schlummerten dunkle Formationen noch im lichten Rund: Die erschienen Galilei wie "kleine schwärzliche, völlig von dem dunklen Teil getrennte Flecken".
Dank des niedrigen Sonnenstands am Terminator werfen schon kleine Erhebungen lange, bizarre Schatten: Hier im Bild ist es der Wall des Kraters Plato. Auch deshalb glaubte Galilei, die lunaren Berge wären viel höher als die irdischen.
Links des Terminators entzündeten sich allerorts hervorsprießende Spitzen, gewannen an Größe sowie Glanz, vereinten sich miteinander und endlich mit der leuchtenden, nunmehr ausgedehnteren Mondfläche. Zurecht verglich Galilei diesen Anblick mit dem von irdischen Bergen, bei denen zunächst nur die Gipfel, dann die höheren Abschnitte und schließlich die gesamten Osthänge von der aufgehenden Sonne beleuchtet würden. Zum ersten Mal sah ein Mensch das Alpenglühen auf einer anderen Welt.
Die tiefsten Täler trotzten dem Sonnenlicht am längsten, verharrten als dunkle Flecken zwischen den schon wachgeküssten Landschaften. Galilei verglich daraufhin den Mond überhaupt mit der Erde, die ja ihrerseits von solchen Unebenheiten geprägt ist. Wenn nun aber der Mond der Erde glich, dann durfte man auch die Erde als Himmelskörper betrachten.
Sie unterschied sich demnach nicht grundsätzlich von den anderen Welten. Ein Befund, der schlecht zu Aristoteles, aber sehr gut zu Kopernikus passte. Der hatte die Erde ja nur noch als einen von damals sechs bekannten Planeten betrachtet.
Foto: Johannes Hevelius versetzte die Gebirge "Apennin" (im Bild unten) und "Alpen" (oben) an den Rand des Regenmeeres.
Wie wir heute wissen, bestehen zwei Drittel der uns zugewandten Mondseite aus uralten, kraterzernarbten Landschaften. Einschlagskrater liegen dort so dicht an dicht, dass zuweilen ein völlig chaotischer Eindruck entsteht. Das sind die sogenannten Hochländer des Mondes, die Galilei von Bergen und Tälern geprägt sah.
Er erkannte jedoch auch, dass solche Ausbuchtungen des Terminators fehlten, wo dieser gerade durch die großen Flecken des Mondes - später nannte man sie Mondmeere - lief (siehe Foto, obere Hälfte).
Offenbar war deren Boden nicht gebirgig, sondern äußerst glatt. Auch mit diesem Befund sollte der Italiener Recht behalten. Später stellten sich die Mondmeere als weite Einschlagsbecken heraus, die mit Lava geflutet wurden und so eine vergleichsweise profilarme Decke erhielten.
Die Lavadecke ist jünger als die Hochländer und hat deshalb nur noch wenige Treffer abbekommen. Übrigens versuchte Galilei auch, die Höhe der mächtigsten Mondberge abzuschätzen. Er vermaß dazu den Abstand, den die aller ersten aufleuchtenden Bergspitzen vom Terminator besaßen. Letztlich schienen ihm die lunaren Unterschiede in Höhe und Tiefe auf dem Mond "die Unebenheiten der Erdoberfläche bei weitem zu übertreffen".
Für einen Beobachter am Mondterminator stünde die Sonne nur knapp über dem Horizont. Er und auch die Hügel und Berge rings um ihn herum würden daher lange Schatten werfen.
Mangels Atmosphäre gibt es auf dem Mond keine Dämmerung, welche die Schnelligkeit des Tagesanbruchs mindern könnte. Nur die langsame Mondrotation sorgt für ein wenig Beschaulichkeit.
Rechts: Mondkraterzeichnung aus dem späten 19. Jahrhundert.
Guckt der oberste Sonnenrand gerade hinter dem Mondhorizont hervor, braucht es noch eine Stunde, bis sich das ganze Rund der Sonne zeigt. Während dieser Stunde stünde man im Halbschatten. Im Anschluss wäre man der Sonnenstrahlung allerdings gut zwei Wochen lang ausgesetzt. Ebenso lange dauert die folgende, eisige Mondnacht.
Schon mit dem kleinen Amateurfernrohr können Sie bei zunehmendem Mond den Sonnenaufgang (bei abnehmendem den Sonnenuntergang) am Terminator mitverfolgen. Ist der Mond im Teleskop zu hell, bieten sich Neutral- oder Farbfilter zur Lichtdämpfung an. Näheres über den Einsatz von Filtern lesen Sie hier.
Beobachtungsaufgaben
- Sehen Sie, wie zunächst einzelne Bergspitzen aufleuchten, die sich dann immer mehr vereinen?
- Erkennen Sie, wie die Sonne nach und nach in die Täler vordringt?
- Erspähen Sie die bizarren, langen Schatten, die manche Landschaftsdetails zu werfen vermögen?
Die großen Mondflecken Galileis - die Mondmeere
Als Galilei 1609 das lunare Antlitz zum erstenmal im Teleskop musterte, fehlte ihm die Terminologie, um den unerwarteten Anblick zu beschreiben. Also sprach er von "großen und kleinen Flecken". Die großen Flecke erkennen wir bereits mit freiem Auge - es sind die dunkleren Mondmeere. Sie entstanden, als vor mehr als drei Milliarden Jahren Magma aus dem Mondinnern an die Oberfläche drang und sich in die tiefsten Einschlagsbecken ergoss.
Die Zusammensetzung der Lava variiert, wie man schon im Fernglas erkennt. Sie äußerst sich in den unterschiedlichen Grautönen der Meere. Aber auch innerhalb einzelner Mondmeere lassen sich Helligkeitsabstufungen erkennen. Dies ist Indiz dafür, dass sich das Magma in unterschiedlichen Episoden auf das lunare Antlitz erbrach.
Könnten unsere Augen zarteste Farbabstufungen besser wahrnehmen, würden wir die variierende chemische Zusammensetzung der Laven auch anhand ihrer Tönung erkennen: Titan macht Laven dunkler. Erhöht man die Farbsättigung neutraler Mondaufnahmen, wird dies noch deutlicher: Links sehen Sie den Mond im originalen Grau, rechts wurde die Sättigung mehrfach verstärkt. Blau verrät hohen Titan- und Eisengehalt, Ocker geringen.
Noch ein Experiment: Selbst wenn man, wie im Bild unten links, den Kontrast bloß farbneutral erhöht, wirkt das Meer der Heiterkeit im Ton bereits wärmer als das Meer der Ruhe. Steigert man dann auch noch die Farbsättigung (Bild unten rechts), lässt sich die unterschiedliche Kolorierung sehr klar erkennen. Das Meer der Ruhe erscheint nun in hübschem Blau.
Galileis kleine Flecken - die Mondkrater
Mit den kleinen Flecken meinte Galilei hingegen jene Gebilde, die wir heute "Mondkrater" nennen.
Wie Galilei erkannte, besaßen die kleinen Flecke einen schwarzen, der Sonnenrichtung zugewandten Teil. Hier sah er den Schatten des Kraterwalls.
Dieser Schatten schrumpfte, während die Sonne höher stieg. Die davon abgewandte Seite leuchtete hingegen kräftig im Sonnenlicht auf, "glühenden Bergrücken gleich". Der Kraterboden lag offenbar tiefer als der Kraterwall. Den gleichen Anblick, so schloss der Italiener, würden auch Täler auf der Erde bieten, beobachtete man sie nach Sonnenaufgang.
Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte Galilei, als er die Ränder der großen Flecke musterte. Auch die Mondmeere lagen offenbar tiefer als die helleren Gebiete, die man später "Hochländer" taufen sollte.
Etwa in der Mitte des Mondes fiel ihm ein Krater auf, der größer als alle anderen schien und sich in vollkommen runder Gestalt präsentierte. So würde Böhmen aussehen, schrieb er 1610 in seinem "Sternenboten", wenn es ringsum von hohen Bergen umschlossen wäre.
Galilei bemerkte übrigens auch, dass der Kontrast der Mondoberfläche zum Vollmondtermin hin abnahm. Das lag am Verschwinden der Wallschatten bei höherem Sonnenstand.
Johannes Kepler war zunächst von Galileis Schilderungen beeindruckt. Bald konnte er jedoch auch selbst zum Mond blicken und die rundlichen "Flecken" studieren.
Damals kannte man keine natürliche Kraft, die stets kreisförmig begrenzte Strukturen erschuf. Für Kepler waren die Mondkrater deshalb künstliche Bauwerke. Es musste vermeintlich Mondbewohner geben! Die rammten, so glaubte Kepler, zunächst einen Pfahl in den Boden. Dann zeichneten sie mit meilenlangen Tauen einen weiten Kreis, auf dem sie dann einen hohen Erdwall aufschütteten.
Während die Sonne über den Mondhimmel zog, folgten sie, so Kepler, dem Schatten des Erdwalls, um Schutz vor der sengenden Hitze zu suchen. Spätere Astronomen sahen die Krater nüchterner: Sie erklärten sie zu riesigen, lunaren Vulkanen.
Erst Mitte des 20. Jahrhunderts sollte man sie zweifelsfrei als Einschlagsnarben von unzähligen, auf den Mond gestürzten Kleinkörpern entlarven.
Bild: Mondkraterzeichnung aus dem späten 19. Jahrhundert. Alle Fotos: Pinter
Den Mond selbst beobachten
Kein anderes Himmelsobjekt präsentiert so viele Details im Fernrohr, wie sie der Mond bereits dem freien Auge darbietet. Unter Einsatz optischer Mittel steigt die Zahl beobachtbarer Einzelheiten dramatisch an. Im Feldstecher können Sie die leicht unterschiedlichen Grautöne der Mondmeere studieren. Auch Schattierungen innerhalb einzelner Meere werden sichtbar.
Das Fernglas reicht allerdings nicht, um die Mondkrater (Artikel) klar zu erkennen. Dafür ist seine Vergrößerung zu schwach. Aber bereits ein kleines Fernrohr zeigt unglaublich viele dieser Einschlagsnarben. Besonders dramatisch ist der Anblick am Terminator, wenn zuerst die Wallspitzen und dann immer weitere Teile des Walls aus der Dunkelheit tauchen.
Die eindrucksvollsten Nächte für erste, eigene Kraterbeobachtungen liegen rund ums erste Mondviertel.
Speziell in größeren Teleskopen kann die Helligkeit des Mondes zum Problem werden. Es gibt eigene, farbneutrale Filter (zum Beispiel einfache Polarisationsfilter) zum Einschrauben ins Okular. Schraubt man zwei solcher Polfilter hintereinander, lässt sich der Lichtdurchlass in Grenzen regeln - durch Verdrehen der beiden Filter gegeneinander. Am bequemsten geht das, wenn ein Filter fest, das andere drehbar ist.
Bild: Lange Schatten am Mondterminator täuschen überstarkes Relief vor. Nahe dem Bildzentrum liegt der 32 km weite, terrassierte Krater Kepler mit dreiteiligem Zentralberg.
Beobachtungsaufgaben
- Können Sie das relative Alter der lunaren Landschaften abschätzen (je mehr Krater, desto älter)?
- Erkennen Sie terrassierte Wälle und Zentralberge bei größeren Kratern?
- Finden Sie Krater, deren Wälle von späteren Einschlägen teilweise zerstört wurden?
- Erblicken Sie jüngere Krater in älteren?
- Finden Sie Krater, deren Böden später von Lava überflutet und so geglättet wurden?
- Erspähen Sie "Geisterkrater", deren Wälle fast zur Gänze in den Lavafluten ertranken?
Fototipps gefällig?
Für Übersichtfotos reicht bereits eine DSLR, die man mit starken Teleobjektiven oder an einem kurzbrennweitigen Fernrohr betreibt.
Um hingegen Details auf der Mondoberfläche festzuhalten, muss man die DSLR schon im Fokus eines wirklich langbrennweitigen Teleskops montieren. Eine noch wesentlich feinere Auflösung erzielt man dort mit einer CCD-Kamera.
Literatur und Software für Mondbeobachter
Moonhopper
Lambert Spinx und Frank Gasparini begleiten Mondbeobachter mit kleinen und mittelgroßen Teleskopen auf 20 lunaren Touren.
Kleiner Mondatlas - Mondkarten für jedes Fernrohr
Kein anderes Himmelsobjekt zeigt so viele Details wie der Mond. Zur Orientierung bei Fernrohrbeobachtungen ist ein Mondatlas wie dieser von Antonin Rükl daher unentbehrlich.
Mondbeobachtung für Einsteiger
Interessanter Mondführer für Fernrohrbeobachter, geordnet nach dem jeweiligen Mondalter.
Virtual Moon Atlas
Ein großartiger Mondatlas (Freeware) für einen PC mit passender Grafikleistung.
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