Allgemein - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
Direkt zum Seiteninhalt
Kometen - eilige Besucher im inneren Sonnensystem
Kometen lassen sich im Teleskop ständig beobachten und fotografieren. Die allerwenigsten werden allerdings hell genug fürs freie Auge. Nur alle paar Jahre ergibt sich ein wirklich eindrucksvolles Schauspiel, dann zumeist am späten Morgen- oder am frühen Abendhimmel.

In der zweiten Oktoberhälfte 2024 dürfte es wieder soweit sein. Dann erwarten wir den Schweifstern Tsuchinshan-ATLAS zu einem kurzen Gastspiel in der Abenddämmerung.

Wer ihn sehen will, sollte abends die Stadt verlassen und einen Platz mit freier Sicht bis weit hinab zum Westsüdwesthorizont aufsuchen. Es empfiehlt sich, ein Fernglas mitzunehmen.
Grundsätzliche Beobachtungsprobleme

Auf meinen Seiten widme ich Kometen wenig Aufmerksamkeit. Denn für Wiener sind das äußerst schwierige Objekte.

Stehen sie weit von der Sonne ab, sind die bloß lichtschwach. Als flächige Objekte lassen sie sich schwer aus dem aufgehellten Großstadthimmel herausfiltern. Man kann sie dort bestenfalls als kleine nebelige Flecke im Teleskop erkennen oder, besser noch, mit Hilfe der Deep Sky Fotografie ablichten.

War ob seiner Kerngröße eine Ausnahmeerscheinung: Der Komet Hale-Bopp im Frühjahr 1987
Stehen Kometen nahe der Sonne, erreichen sie zumeist ihre größte Helligkeit. Doch dann sehen wir sie zumeistbloß am Dämmerungshimmel, recht niedrig über dem Horizont. Und da findet sich angesichts der Wiener Bausucht selten ein Platz mit freier Sicht. Am besten ist noch, man versucht es morgens am östlichen, abends am westlichen Stadtrand - sofern der nicht auch schon mit Häusern zugepflastert ist.

Weilen Kometen gerade westlich ("rechts") der Sonne, gehen sie vor der Sonne auf und tauchen somit in der Morgendämmerung auf. Man sucht sie dann meist zu Beginn der nautischen Dämmerung, wenn die Sonne noch 12 Grad unter dem Horizont steht und der Osthimmel noch einigermaßen dunkel wirkt. Während der Komet höher klettert und sich aus dem Horizontdunst zu befreien sucht, hellt der Morgenhimmel immer mehr auf - bis der Komet nicht mehr auszumachen ist.

Komet Pons-Brooks am 6.4.2024 in der Abenddämmerung
Weilen Kometen gerade östlich ("links") der Sonne, gehen sie nach der Sonne unter und werden in der Abenddämmerung sichtbar. Man sucht sie dann meist zu Ende der nautischen Dämmerung, wenn die Sonne bereits 12 Grad unter dem Horizont steht und der Westhimmel schon einigermaßen dunkel wirkt. Während der Abendhimmel immer mehr eindunkelt, sinkt der Komet tiefer zum Horizont hinab - bis er wegen des Horizontdunstes und der Extinktion nicht mehr auszumachen ist.

Kometenbahnen sind zur Erdbahnebene oft deutlich geneigt. Weilen Kometen gerade nördlich dieser Ebene, sind die Beobachtungsbedingungen auf der irdischen Nordhalbkugel besser. Für Beobachter auf der südlichen Hemisphäre ist es umgekehrt.
Wovon hängt die Kometernhelligkeit ab?

Die aktuelle Helligkeit von Kometen hängt ab vom

  • Abstand zur Sonne
  • Abstand zur Erde
  • Größe des Kometenkerns
  • Gasfreisetzungsrate an der Kometenoberfläche

Die beiden ersten Parameter lassen sich sehr genau berechnen. Größe und Gasfreisetzung sind aber bloß schätzbar, wenngleich der letztgenannte Parameter stark von der Sonnennähe abhängt. Deshalb ist es ein riskantes Unterfangen, die Helligkeit eines Kometen im Vorhinein anzugeben. Es gibt da große Unsicherheiten - und Enttäuschungen.

Normalerweise nennt man Helligkeiten in der Astronomie in Größenklassen (mag). Diese Magnituden-Skala wurde allerdings für punktförmige Objekte (Sterne; Planeten ohne Fernrohrvergrößerung) entwickelt. Bei ausgedehnt wirkenden Objekten verteilt sich der Glanz aber über die von ihnen eingenommene Fläche. Das gilt auch für Kometen.

In Medienberichten wird dieser Unterschied gern aus Unwissenheit übersehen und die theoretische Größenklasse für bare Münze verkauft. Ein Komet der laut Zeitung, Radio oder TV angeblich "so hell wie helle Sterne" strahlt, mag freiäugig kaum zu erspähen sein - schon gar nicht am aufgehellten Dämmerungshimmel.
Die wichtigsten Komponeten im Erscheinungsbild von Kometen

Kometenkerne sind Körper aus Gestein, Staub und Eis. Ihr Durchmesser ähnelt meist dem irdischer Kleinstädte. Nur wenige sind groß wie z.B. Wien. Damit bleiben Kometenkerne zu schmächtig, um kugelförmige Gestalt anzunehmen. Sie können völlig unregelmäßig geformt sein, z.B. auch wie eine Kartoffel, eine Erdnuss oder eine Hantel.
Verkleinertes Modell des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko bei einer einstigen Ausstellung im Naturhistorischen Museum Wien
Das Gestein im Kometenkern mag die Größe von Felsbrocken oder auch nur die von Kieselsteinen besitzen. Winzige Teilchen mögen klein wie Sandkörner oder Rauchpartikel sein. Sie sind silikatisch und oft kohlenstoffhaltig.

Das Eis besteht nicht nur aus gefrorenem Wasser, sondern auch aus Substanzen, die wir auf Erden vor allem im gasförmigen Zustand kennen, wie etwa Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Sauerstoff, Stickstoff, Ammoniak oder Methan: Der Begriff "gefrorene Gase" ist zwar in sich widersprüchlich und somit falsch - aber naheliegend.
Dieses Gemisch aus Gestein und Eis wurde früher nach einem Bild von Fred Whipple als "schmutziger Schneeball" beschrieben. Heute hält man den Eisanteil für geringer und spricht eher von einem "eisigen Schmutzball".

Schnappschuss links: Fred Whipple 1986 in Darmstadt

Die kometare Materie bleibt weitgehend unverändert, solange sie sich im kalten, äußeren Abschnitt des Sonnensystems befindet. Dort ist sie vor 4,56 Milliarden Jahren auch entstanden. So betrachtet, sind Kometen Zeitkapseln aus der Geburtszeit des Sonnensystems.

Kometen scheinen aus zwei Bereichen zu stammen. Der Kuiper-Edgeworth-Gürtel beginnt hinter der Neptunbahn. Die Oortsche Wolke liegt noch weiter draußen und umhüllt unser Sonnensystem.

Die Umlaufszeiten von Kometen, deren sonnenfernster Bahnpunkt (Aphel genannt) im Kuipergürtel liegt, betragen weniger als 200 Jahre. Die Umlaufszeiten von Mitgliedern der Oortschen Kometenwolke muten uns hingegen wie Ewigkeiten an.

In jedem Fall sind es wohl Bahnstörungen, die Objekte aus diesen beiden Reservoires mitunter ins innere Planetensystem stürzen lassen. Die Herkunft lässt sich aus der Form der stets weiten Ellipsen schließen. Ähneln sie schon fast Parabeln, stammen Kometen aus der Oortschen Wolke.

Sind die Gäste im Reich der Planeten angelangt, beginnen ihnen Licht und Wärme zuzusetzen. Das Eis unter der Oberfläche sublimiert dann; es umgeht die flüssige Phase und verwandelt sich direkt in Gas. Dieses Gas schießt dann aus vereinzelten Rissen in der Kometenkruste ins Freie, reißt Staub und Steinchen mit sich. Ein Teil dieser Materie fällt auf die Kernoberfläche zurück. Der andere entweicht ins All.

Passiert ein Kometenkern die Jupiternbahn, hüllt die entwichene Materie den - für uns Erdbewohner nicht direkt sichtbaren - Kometenkern ein. Sie formt eine dichte Hülle um ihn herum: Die sogenannte Koma. Sie kann Dutzende Millionen Kilometer durchmessen.
Der grün schimmernde Kopf des Kometen Pons-Brooks im Teleskop (April 2024)
In noch geringerer Sonnendistanz von etwa zwei Erdbahnradien beginnt der Sonnenwind einen Teil dieser Materie zu packen und ihn von der Koma weg zu drücken. So entsteht der hunderte Millionen Kilometer lange Kometenschweif. Der Schweif weist immer von der Sonne weg und diente schon vor Beginn des Weltraumzeitalters als Beweis für die Existenz des sogenannten Sonnenwinds.
Schweife sind gewissermaßen Wetterfahnen im Weltraumetter.

Solange der Komet eine enge Kurve um die Sonne zieht, ist der Staubschweif aus kinetischen Gründen gekrümmt. Die größeren, langsamen Teilchen finden sich an der Schweifkante mit der stärksten Krümmung, die kleinen, schnelleren Teilchen auf jener mit der geringsten Krümmung. Staubteilchen können aber nicht beliebig klein sein.
Hale-Bopp im Frühjahr 1987: Nach oben rechts zieht ein bläulich anmutender Ionenschweif davon. Der gekrümmte Staubschweif rechts davon ist auffälliger
Anders ist das mit ionisierten Atomen. Die sind definitiv winzig und werden vom Sonnenwind in kerzengerader Linie fortgedrückt. Kometen zeigen in Sonnennähe daher meist einen gekrümmten Staubschweif und einen geradlinigen Gas- oder Plasmaschweif.

Die Staubteilchen streuen das Sonnenlicht, was dem Staubschweif auffallende Helligkeit bescheren kann. Aufgrund der Teilchengröße mag die Farbtönung ins gelbliche tendieren. Die Ionen des Plasmaschweifs werden von der Sonne hingegen zum Eigenleuchten angeregt. Sie präsentieren sich auf Kometenfotos oft in einem zarten Blau.

Mit zunehmender Distanz zum Kometenkern dünnt die von ihm freigesetzte Materie aus. Sie verliert sich im Raum. Die Schweife büßen somit mit steigendem Kernabstand Helligkeit ein. Nur am wirklich dunklen Himmel überspannen die Schweife eindrucksvolle Weiten. Je aufgehellter der Himmel wegen der Dämmerung oder der Lichtverschmutzung ist, desto kürzer muten uns Kometenschweife an. Deshalb sind Kometen im städtischen Gebiet heute schlecht zu beobachten und nur in wirklichen Ausnahmefällen eindrucksvoll.
Ein Gasjet des Kometen Churyumov-Gerasimenko, festgehalten von der Sonde Rosetta aus sicherer Distanz. Foto: ESA
Die Staubfreisetzung an der Kometenobfläche erfolgt nicht überall, sondern bestenfalls an isolierten Stellen. Nur dort schießt die Materie fontänenartig ins Freie. Solche Fontänen können sich auch öffnen und wieder schließen.
Denn der Kern rotiert um seine Achse, hält der wärmenden Sonne abwechselnd unterschiedliche Seiten hin. Daher mögen sich konzentrische Hüllen um den Kern legen.

Links: Der Heidelberger Astronom Max Wolf zeichnete 1907 die Hüllen im Kopf des Kometen Daniel (hier invertiert)
Aus: Littrow, Wunder des Himmels, 1911
Außerdem kann es zu einem plötzlichen, unerwarteten Anstieg der Staubfreisetzungsrate kommen. Ein solcher Komet erlebt dann einen Helligkeitsausbruch. Legendär ist der Ausbruch beim Kometen Holmes vom 24.10.2007. Er strahlte dabei kurzzeitig etwa 200.000 mal heller als zuvor. Im Teleskop sah ich am 26. Oktober seine Koma im Fernglas und im Teleskop klar gelblich - und das sogar von Wien aus.

Der Kometenkern selbst ist für uns nicht zu erspähen. Dazu ist er zu klein. Seine dunkle Oberfläche reflektiert auch nur halb so viel Sonnenlicht wie Asphalt. Außerdem wird er ja von der helleren Koma verhüllt. Eine zentrale Verdichtung der Koma darf also nicht mit dem wirklichen Kern verwechselt werden.

Damit kennen wir nun die beobachtungstechnisch signifikantesten Teile eines Kometen: Koma, Staubschweif und Plasmaschweif. Die Koma strahlt mit der größten Helligkeit pro Flächeneinheit, gefolgt vom Staubschweif. Am schwächsten glimmt der Plasmaschweif, der sich oft sogar unserem Blick - bzw. dem Kamerasensor - entzieht.
Die weitere Reise

Die Annäherung an die Sonne ist definitiv Stress für einen Kometenkern. Obwohl die Sublimation des Eises nur recht knapp unter der Kruste passiert, verliert er ordentlich Materie. Manche Kometen überleben das nicht. Sie fragmentieren, wobei die Wärme den einzelnen Fragmenten dann noch heftiger zusetzt. Kometen lösen sich mitunter auf. Manche stürzen sogar direkt in die Sonne.

Auf den Bildern des Sonnenteleskos SOHO erblickt man immer wieder Objekte, denen dieses Schicksal widerfährt. Ich habe dort mehrere Kometen "entdeckt" - zwar unabhängig, aber wohl als letzter von tausenden anderen Betrachtern.
Foto: SOHO/ESA
Kurz nachdem sie den sonnennächsten Bahnpunkt (Perihel genannt) überstanden haben, beginnen Kometen wieder an Helligkeit zu verlieren. Sie verblassen immer mehr. Bei nun wieder fallenden Temperaturen geht die Aktivität des Kerns zurück. Er setzt immer weniger Materie frei. Der Plasmaschweif verschwindet, dann der Staubschweif. Schließlich ist nur noch die Koma zu erkennen. Auch sie büßt ihren Glanz ein. Irgendwann ist der davon eilende Komet nicht einmal mehr im Fernrohr bzw. auf Himmelsfotografien zu erspähen.

Der inaktiv gewordene Kern kehrt zurück in die Außenbezirke des Sonnensystems, kehrt vielleicht in Äonen nochmals in Sonnennähe zurück. Die Freisetzung von Materie in Sonnennähe mag in Summe wie ein kleines Düsentriebwerk wirken und die ursprüngliche Bahn sogar ein wenig verändert haben. Man spricht hier von nichtgravitationellen Effekten.

Manche Kometen werden hingegen rein gravitationell vom mächtigen Planeten Jupiter gestört. Er manipuliert ihre extrem langgezogenen Bahnellipsen, schenkt diesen kreisähnlichere Formen und kürzere Umlaufszeiten. Der Riesenplanet hat so eine ganze Kometenfamilie um sich geschart.
Jupiters Kometenfamilie. Aus Littrow, Wunder des Himmels (1911)
Solche Kometen sind dazu verdammt, im Abstand weniger Jahre oder Jahrzehnte immer wieder in Sonnennähe zurück zu kehren - wie der legendäre Komet Halley (Umlaufszeit: 84 Jahre). Bei jeder Sonnenpassage geht Materie verloren. Häufige Besucher verlieren rasch an Attraktivität. Sie verdanken ihren Ruf früheren, auffälligeren Gastspielen, sind heute aber eher unauffällig.

Die von einem Kometen freigesetzte Materie bildet übrigens eine Art Schlauch im All. Manche dieser Schläuche kreuzen die Erdbahn. Die Erde schießt dann jedes Jahr zur selben Zeit durch die verloren gegangene kometare Materie hindurch: Sichtbares Ergebnis sind Meteorströme. Deren Partikelchen dringen mit kosmischen Geschwindigkeiten in die Erdatmosphäre ein und verdampfen. Das Gros aller Sternschnuppen geht auf Kometen zurück.
Aktuelle Kometen: Örter, Helligkeiten, Fotos

Fotografisch und mit Teleskopen sind ständig Kometen erfassbar. Die wenigsten davon erreichen aber ansprechende Helligkeiten. Oft überwachen Amateurastronomen deren Glanz. Hier ein paar hilfreiche Links:
Aufsuchkarten findet man z.B. bei:


Helligkeitsmessungen werden veröffentlicht von:


Fotos sieht man etwa hier:

Der Komet Tsuchinshan-ATLAS

Auf der nächsten Seite erfahren Sie Interessantes zu diesem hoffentlich prächtigen Schweifstern: Er ist schon im Frühjahr gerade hell genug für Fernrohrbeobachtungen geworden und soll in der zweiten Oktoberhälfte 2024 freisichtig in der Abenddämmerung zu sehen sein. Aber wie gesagt: Helligkeitsprognosen sind bei Kometen immer riskant.
Zurück zum Seiteninhalt