Offene Sternhaufen - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Offene Sternhaufen - Galileis unerhörte Sternenzahl
An manchen Stellen des nächtlichen Himmels machen wir mit freiem Auge subtile Nebelfleckchen aus. Im Fernglas entpuppen sich diese als Grüppchen feiner Lichtpunkte: Offensichtlich war es also der gemeinsame Schimmer dutzender, jetzt erst offensichtlich werdender Sterne, der für den ersten, nebelartigen Eindruck sorgte.

Anders als bei den Kugelsternhaufen lässt sich bei diesen Objekten sogar im Fernrohr zwischen den Sternchen hindurch blicken. Der Raum zwischen den Sternen bleibt gewissermaßen offen. Man spricht deshalb von Offenen Sternhaufen (engl. Open Cluster, OC). Sie zählen zu den sogenannten Deep Sky Objekten.

Im Fernrohr präsentieren sich manche dieser Haufen als wahre "Schmuckkästchen am Himmel": So nannte ich auch jenen Artikel über Offene Sternhaufen, den ich 2004 für die altvertraute Wiener Zeitung schrieb. Sie wurde 19 Jahre später von der schwarzgrünen Bundesregierung versenkt. Man findet die Story hier im US-amerikanischen Internet-Archiv.
M36 (l.) und M38 (r.) im Fuhrmann. Das 300 mm-Tele ritt huckepack am Teleskop
Objekte für den Lichttrichter
Fernrohre funktionieren wie Trichter - sie sammeln mehr Licht ein als das freie Auge. Die menschliche Pupille misst, an die Dunkelheit angepasst, etwa 6 mm. Der genaue Wert ist altersabhängig und sinkt gegen 4 mm.

Ein Fernglas mit der Aufschrift "8x30" vergrößert achtfach und besitzt eine Öffnung von 30 mm. Sein Durchmesser ist also 5 mal so weit wie jener der 6-mm-Pupille.
Und weil die Lichtsammelleistung bei punktförmigen Objekten mit der Fläche des Objektivs wächst, trichert schon dieses kleine Gerät 25 (also 5 x 5) mal mehr Photonen ein als das unbewaffnete Auge.

Ein Linsenteleskop von 60 mm Öffnung bringt den 100fachen, ein Spiegelteleskop von 200 cm den 1000fachen Lichtgewinn!

Entsprechend steigt die Zahl der sichtbaren Sternchen. Das kommt der Beobachtung der Offenen Sternhaufen sehr zu gute.

Galileo Galilei war der erste, der einen linsenbestückten Lichttrichter des Nachts einsetzte und darüber auch gleich berichtete.
Galilei und die Sternhaufen
In der Antike erblickte man das Siebengestirn im Sternbild Stier - die Plejaden - meist als dicht gedrängte Ansammlung von einem halben Dutzend Sternchen. Das enge Grüppchen galt in vielen Kulturen als wichtiges Kalendergestirn.

Galilei stellte seine ersten Himmelsbeobachtungen an Padua (Artikel) an. Die lichtsammelnde Leistung seines Teleskop machte Sterne erkennbar, die unter der Sichtbarkeitsgrenze des freien Auges lagen. Deshalb schilderte Galilei die Plejaden anders, als je ein Mensch zuvor! Er sprach in seinem rasch publizierten Büchlein "Sternenbote" von einer Sterngruppe, die "in sehr engen Grenzen am Himmel eingeschlossen" sei.
Die Plejaden (M45), festgehalten mit 500 mm Brennweite
"In ihrer Nähe sind mehr als vierzig weitere, unsichtbare gelegen", wobei sich keiner mehr als einen Vollmonddurchmesser von den vertrauten sechs hellsten entferne - so schrieb Galilei 1610. Von diesen Sternen habe er 36 in eine kleine Karte eingezeichnet.
Einige der kleinen Nebelflecke am Sternenhimmel, die den alten Astronomen nur diffus und sternlos vorgekommen waren, erschienen Galilei im Teleskop als "Haufen kleiner, außerordentlich dicht gedrängter Sterne." Nur weil jeder einzelne von ihnen zu klein oder zu weit entfernt wäre, hätten sie sich bislang unserem Blick entzogen.

Erst die Vermischung der gemeinsamen Strahlen dieser Sterne ließe jenen Glanz entstehen, den man als Nebel, als scheinbar "dichteren Teil des Himmels" interpretierte.

Einer dieser Nebel, so fuhr Galilei im Sternenboten fort, sei die sogenannte Krippe im Sternbild Krebs.
M44, auch Krippe bzw. Praesepe genannt, im Krebs (f=500 mm)
Dieser Nebel wäre sogar "eine Ansammlung von mehr als vierzig Sternchen". Auch hier trug Galilei 36 Sterne in sein Beobachtungsbuch ein.  

Es gab also ganz offensichtlich viel mehr Sterne, als die Beobachter seit der Antike gemeint hatten. Selbst im Standardwerk der Astronomie, dem Almagest des Ptolemäus, war nichts davon zu lesen gewesen. Es existierte da draußen also viel mehr, als die großen Autoritäten geahnt hatten.

Die Anzahl der Sterne (katalogisiert waren damals gerade einmal um die tausend) musste demnach um ein Vielfaches größer sein. Galilei sprach in seinem 1610 veröffentlichten Sternenboten von einer geradezu unerforschlich großen Zahl.

Diese Formulierung erinnerte so manchen seiner Leser an die Spekulationen des im Jahr 1600 verbrannten "Ketzers" Giordano Bruno (Artikel): Dieser Philosoph hatte sein unendliches Universum gleich mit einer unendlichen Anzahl ferner Sonnen ausgestattet. Sogar Johannes Kepler graute vor dieser Vorstellung.
M35 in den Zwillingen. Unten der kleine Haufen NGC 2158 (f = 500 mm)
Die Existenz der Offenen Sternhaufen genügte natürlich nicht, um das - damals noch sehr umstrittene - Weltsystem des Kopernikus zu beweisen. Aber auch dieser Fund Galileis schwächte die Position von Kopernikus' Gegnern.

Im alten, vorkopernikanischen System musste ja der gesamte Kosmos einmal pro Tag um die im Zentrum fixierte Erde herum wirbeln - mit all seinen Sternen. Das war schon bei tausend Sternen nur mit Kunstkniffen vorstellbar. Wie sollte dies nun aber einem Kosmos gelingen, der eine schier unerforschbar große Zahl an Sternen beheimatete?
Was sind Offene Sternhaufen?
Heute wissen wir: Die Sterne eines Offenen Haufens stehen nicht zufällig so nahe beieinander. Sie wurden vielmehr, Schwestern gleich, in der selben kosmischen Molekülwolke geboren.

Neben rein perspektivischen Effekten - je weiter weg ein Sternhaufen ist, desto gedrängter muss er anmuten - macht sich auch das Alter des Haufens im Erscheinungsbild bemerkbar. In sehr jungen Haufen drängen sich Sterne besonders dicht zusammen. Dann jedoch werden sie "flügge". Der Haufen verliert in Folge an Kompaktheit und löst sich schließlich auf.

Deshalb müssen jene 1.100 Offenen Sternhaufen, die wir am Himmel erblicken, vergleichsweise junge Objekte sein, bloß hunderte Mio. Jahre alt. Unsere Sonne ist mit ihren 4,56 Milliarden Jahren um ein Vielfaches älter. Nach wenigen Umläufen ums Milchstraßenzentrum sind die Haufen bereits Geschichte. Ihre Sterne leuchten freilich weiter: Sie verlieren einander nur gleichsam "aus den Augen".
Beim jungen Sternhaufen NGC 1977 im Orion sind noch Reste der einstigen Molekülwolke erkennbar (f = 2000 mm)
Im Winter gibt's besonders viele
Der ärmlich anmutende NGC 2169 im Orion, Spitzname "37er-Haufen"
Speziell der Winterhimmel hat mehrere prächtige Haufen zu bieten, sofern Sie ein Fernglas oder ein Teleskop mit eher schwacher Vergrößerung an die richtige Stelle richten.

Da sind zunächst einmal die Hyaden im Stier, die eine Art "V" am Himmel zu bilden scheinen. Die vielleicht 400 Mitglieder dieses Haufens sind um die 150 Lichtjahre von uns entfernt. Der helle, leicht rötliche Stern Aldebaran (Distanz: 65 Lichtjahre) gehört nicht dazu; er steht nur zufällig in der gleichen Richtung.

Die Plejaden (M45), ebenfalls im Stier und 440 Lichtjahre entfernt, haben wir schon erwähnt. Ohne Werbung für Autos machen zu wollen: Der im Ansatz schon freiäugig sichtbare Haufen heißt af Japanisch Subaru.

Die ebenfalls schon genannte Krippe (M44) im Sternbild Krebs ist schwieriger auszumachen. Hier versammelt sich eine Tausendschaft an Sternen in einem Erdabstand von 580 Lichtjahren.
M37 im Sternbild Fuhrmann (Brennweite: 500 mm)
Im Sternbild Fuhrmann prangen M36, M37 und M38; der M37 ist am hübschesten.
M38, ebenfalls im Fuhrmann: Der kleine Haufen unten ist NGC 1907 (f=500 mm)
In den Zwillingen schimmert der M35, im Krebs außerdem der ungewöhnlich alte Haufen M67.
Der Offene Sternhaufen M67 im Krebs
Im Einhorn können Sie den M50 aufsuchen. Nicht hoch über unseren Horizont klettern M46 und M47 im Achterdeck (Puppis). Niedrig steht auch M41 im Großen Hund.
M46: Der Planetarische Nebel oben ist ein Vordergrundobjekt
Nicht nur Saisonbetrieb
Offene Sternhaufen konzentrieren sich auf die Milchstraßenebene. Im Frühling machen sie sich daher rar.

Eine Ausnahme ist Melotte 111. Das Antlitz des schon freiäugig erkennbaren Haufens dürfte einst Pate bei der Einführung eines ganzen Sternbilds (Haar der Berenike) gestanden haben. Die 40 Sterne erstrecken sich über mehr als 7 Grad und sind erst 450 Mio. Jahre alt. Unsere Sonne ist also zehnmal älter.
Der M26 im Sommersternbild Schild
Am Sommerhimmel ist wieder mehr los. Gottfried Kirch entdeckte 1681 den M11: Er dürfte erst 300 Mio. Jahre alt sein. Etwa 6.000 Lichtjahre trennen uns von seinen rund 3.000 Sternen. Ebenfalls im Schild liegt der offene Sternhaufen M26, von Charles Messier 1764 entdeckt. Visuell soll man bei 20 cm Öffnung aber gerade einmal zwei Dutzend Sterne erspähen können.

Südlich davon, im Schützen, warten gleich mehrere Haufen, darunter M16, M18, M21, M23 oder M25.

In der Schlange existiert z.B. der Offene Haufen IC 4756, daneben im Schlangenträger der NGC 6633.

Der junge M71 im Sternbild Pfeil wird meist als Kugelhaufen geführt, obwohl er doch eigentlich wie ein Offener Sternhaufen anmutet. Alter: 10 Mio. Jahre.

Ein "Hochstapler" ist Collinder 399 im Sternbild Füchschen. Der Form wegen gern Kleiderbügel-Haufen genannt, handelt es sich hier bloß um eine zufällige Gruppierung von Sternen in höchst unterschiedlicher Erddistanz.
M29 im Schwan
An frühen Herbstabenden ragt die Milchstraße mit ihren vielen Sternhaufen steil auf. Wir können dann etwa den M29 und den M39 im Schwan anvisieren, oder uns an den vielen weiteren NGC-Objekten im Schwan, Kepheus oder der Cassiopeia versuchen. In eben diesem "Himmels-W" stoßen wir auf den M52 mit seinen gut 600 Sternen.

Zwischen der Cassiopeia- und der Perseus-Figur macht schon das freie Auge ein nebeliges Fleckchen aus, das uns als Paradebeispiel dient: Es handelt sich um den Doppelsternhaufen h und chi im Perseus (NGC 869 / NGC 884). Das Paar ist 7.000 bis 8.000 Lichtjahre von uns entfernt und umfasst jeweils an die 300 Sterne.
Eine lockere Geschichte - M48 in Puppis
Auffinden
Vor allem Wilhelm Herschel und sein Sohn John trugen dann tausende weitere Deep Sky Objekte zusammen, darunter auch Offene Sternhaufen. Mit weiteren Ergänzungen anderer Astronomen wurden in Summe an die 7.800 Funde im 1888 publizierten New General Catalogue zusammengefasst. Solche Objekte beginnen mit dem Kürzel NGC. Dieser Katalog erfuhr Erweiterungen durch die beiden IC-Kataloge.

Weitere Kataloge folgten. Bei etwa tausend der vielen, heute erfassten Deep Sky Objekte handelt es sich um Offene Sternhaufen. Die englischsprachige Wikipedia bietet eine (unvollständig gebliebene) Liste dieser Haufen unter diesem Link.
Der IC4665 im Schlangenträger ist erst 40 Mio. Jahre alt
Aufsuchhilfen bietet z.B. Ronald Stoyans Deep Sky Reiseführer (siehe: Literatur für DSO-Beobachter).

Besonders bequem findet man Sternhaufen mit GoTo-Teleskopen. Sie fahren die gewünschten Objekte einfach an, nach dem man diese aus einer Liste ausgewählt oder deren Himmelskoordinaten eingetippt hat.
Ist M71 im Sternbild Pfeil ein besonders lockerer Kugelsternhaufen oder ein sehr dichter Offener Sternhaufen?
Beobachtungstechnik
Ist der Haufen erst einmal aufgefunden (er kann im schwach vergrößernden Sucherfernrohr des Teleskops durchaus noch "nebelig" anmuten), geht es um die Wahl der passenden Vergrößerung.

In der Regel wird man zunächst ein Okular hoher Brennweite wählen, um eine möglichst geringe Vergrößerung zu erzielen (zur Erklärung: siehe Kenngrößen). Schließlich wollen wir möglichst viele Haufensterne gleichzeitig im Gesichtsfeld des Teleskops erblicken.

Der Haken dabei: Eine geringe Vergrößerung dunkelt den Himmelshintergrund nur wenig ein. Vor allem am aufgehellten Stadthimmel mangelt es den Sternchen dann an Kontrast. Eine höhere Vergrößerung ließe die Sterne besser und zahlreicher aus dem Hintergrund hervor treten, sprengte den Haufen aber auch.

Gefragt ist also der beste Kompromiss - und der schaut von Standort zu Standort, von Nacht zu Nacht und von Haufen zu Haufen anders aus.

Filter nützen bei der visuellen Beobachtung von Offenen Sternhaufen wenig, zumal Sternspektren ein Kontinuum bilden. Eventuell helfen kontraststeigernde Filter und (leichte, nicht zu schmalbandige) Light-Pollution-Filter. Sie bremsen wenigstens das Licht städtischer Natriumlampen aus.

Bei manchen Haufen stechen einzelne Sterne besonders hervor. Weil sich alle Sterne eines Haufens jeweils den selben Erdabstand teilen, erleben wir hier nun tatsächlich wahre Leuchtkraftunterschiede mit. Die hellsten Sterne im Bildfeld werden somit Leuchtkraftriesen sein. Vielleicht machen wir zwischen diesen Riesensternen sogar unterschiedliche Farbnuancen aus.

In seinem fabelhaften Deep Sky Reiseführer nennt Ronald Stoyan mehrere Haufen mit teils rötlichen Sternen. Darunter M11, M37 und NGC 4755; aber auch NGC 884, M41, NGC 2244, M6, NGC 6940 oder M52.

Andere, schon ältere Haufen zeichnen sich hingegen durch besonders ähnliche Leuchtkräfte ihrer Mitglieder aus.
M11 im Sternbild Schild
Beobachtungsaufgaben
  • Erkennen Sie die Plejaden mit freiem Auge?
  • Wie viele Plejadensternchen machen Sie freiäugig aus?
  • Wie viele Plejadensterne zeigt das Fernglas?
  • Erspähen Sie den Nebelfleck der Krippe fern der Stadt mit freiem Auge?
  • Wie viele Krippensternchen tauchen im Fernglas aus?

  • Machen Sie noch weitere Offene Sternhaufen aus?
  • Wie verändert der Standort (Stadt / Land) deren Anblick?
  • Sind die Sterne eines bestimmten Haufens gleichmäßig verteilt?
  • Oder existiert eine Art zentraler Verdichtung?
  • Besitzen die Mitglieder eines Haufens gleiche Leuchtkraft?
  • Oder stechen einzelne Leuchtkraftriesen heraus?
  • Lassen sich bei diesen subtile Farbtöne erkennen?
  • Wie ist das Verhältnis der hellen zu den schwächeren Sternen?
  • Welche Vergrößerung ist jeweils ideal?
M41 im Großen Hund
Fototipps
Besonders prominente Haufen wie die Hyaden oder die Plejaden lassen sich bereits ohne Teleskop fotografieren. Es genügt, die Kamera samt Normalobjektiv oder leichtem Tele aufs Stativ zu setzen.

Für andere Offene Sternhaufen muss man die DSLR mit einem stärkeren Teleobjektiv ausstatten und diese Kombination huckepack aufs nachgeführte Teleskop setzen. Ab hier sind die Verfahren der Deep Sky Fotografie anzuwenden.

Eine besonders hohe Sternenanzahl fängt man beim Fotografieren durchs Teleskop selbst ein. Teleskope besitzen ja meist Öffnungen von 6, 10, 15 cm oder mehr. Und je größer die Eintrittsfläche der Optik, desto schwächere Sternchen treffen auf den Kamerasensor. Siehe: Kenngrößen.

Anders als Planetarische Nebel oder Kugelsternhaufen erfordern Offene Sternhaufen eher gemäßigte Brennweiten. In meinem Teleskop (f = 2000 mm) sprengen manche schon das Bildfeld oder besetzen es komplett. Der Haufencharakter tritt aber eindrucksvoller hervor, wenn rund um die Sternengruppe ein ausgedehnter, vergleichsweise sternarmer Raum verbleibt.
M35 sprengt bereits das Bildfeld meines Teleskops (f = 2000 mm)
Alle Angaben ohne Gewähr
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