Winkel - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Winkel
Distanzen an der Himmelskugel werden fast immer in Winkelgrad angegeben. Der größtmögliche Kreis am Himmel umfasst 360 Grad (°). Wenn man sich einmal komplett um die Körperachse dreht, überstreichen die Augen ebenfalls einen Winkel von 360° entlang des Horizonts.


Azimut

Zwischen den vier Haupthimmelsrichtungen Nord, Ost, Süd und West liegen jeweils 90°. Vom mathematischen Horizont bis zum höchsten Punkt am Himmel, dem Himmelsscheitel (Zenit) sind es ebenfalls 90°.

Der Azimutwinkel wird fast immer von Norden (Azimut = 0°) über Osten (90°), Süden (180°) und Westen (270°) gezählt. Er ist wichtig, wenn man die Beobachtung einer Himmelserscheinung in nicht allzu großer Himmelshöhe planen will. Ansonsten könnte es leicht passieren, dass sich "die Landschaft vorstellt" und den Blick auf das Ereignis vereitelt.

Der Polarstern steht mit etwa 1 Grad Abweichung die ganze Nacht über im Norden, also grob auf Azimut = 0°. Schauen wir nach Norden, weist unsere linke Schulter gen Westen, die rechte Schulter gen Osten.

Sonne, Mond und Planeten erreichen ihren täglichen Höchststand ("Kulmination" genannt) hingegen im Süden, also auf Azimut 180°). Schauen wir nach Süden, weist unsere linke Schulter gen Osten, die rechte Schulter gen Westen.
Ein realer Kompass oder eine App helfen, die Nordrichtung zu bestimmen.

Die magnetische Missweisung ist allerdings zu beachten, da die (wandernden) magnetischen Pole nicht mit den Rotationspolen der Erde zusammenfallen. Die Missweisung ist ortsabhängig und veränderlich.
Höhe

Höhenwinkel werden vom mathematischen Horizont gemessen, der exakt in Augenhöhe liegt. Auf diesen beziehen sich z.B. auch die Auf- und Untergangszeiten in Astronomieprogrammen.
Stark vereinfachte Darstellung: Der mathematische Horizont liegt in Augenhöhe, die Baumwipfel bilden hier den Landschaftshorizont
Auf hoher See entspricht der mathematische Horizont recht gut der Trennlinie zwischen Himmel und Meer. Im Alltag liegt der Landschaftshorizont zumeist höher als der mathematische. Stünden wir am Gipfel des Mt. Everest, läge der Landschaftshorizont hingegen etwas unter dem mathematischen.

Um Höhenwinkel selbst zu messen, bringen wir die Spitze des kleinen Fingers bzw. die Unterkante der Faust genau in Augenhöhe - und zählen dann, wie oft Handspanne bzw. Faust von da weg bis zum entsprechenden Himmelsobjekt passen.
Der mit der Faust misst
Wir können Winkel nämlich grob abschätzen, indem wir unsere Faust bzw. unsere Handspanne zu Hilfe nehmen - allerdings müssen wir dies bei völlig durchgestrecktem Arm tun. Unter der naiven Annahme, dass Menschen mit großen Händen lange Arme und solche mit kurzen Armen kleine Hände besitzen, sollte das Ergebnis bei allen Zeitgenossen ähnlich sein. So zumindest die Theorie.

Die Faust erscheint bei völlig durchgestrecktem Arm in einem Winkel von etwa 10°, die Handspanne (von der Daumenspitze bis zur Spitze des kleinen Fingers) unter einem Winkel von etwa 20°.

Bei mir sind es 10,5° bzw. 21,5°. Mein Daumen misst an der dicksten Stelle 2,5°, mein Mittelfinger vorn und mein kleiner Finger 1,5°. Wären meine Finger kleiner, tät' ich mir beim Gitarrespielen wohl leichter.

Mit diesen körpereigenen Winkelmessern kann man nicht nur Höhenwinkel abschätzen, sondern z.B. auch die Annäherung eines Planeten oder des Mondes an einen hellen Stern mitverfolgen.
Sie können Handspanne und Faust leicht selbst eichen, wenn Sie den Großen Wagen (dieser Asterismus ist Schwanz und Hinterteil des Sternbilds Großer Bär) anschauen. Zwischen dem vordersten und dem hintersten Stern liegt ein Winkel von 26°, von der Deichselspitze bis zum vorderen Wagenrad sind es 18°. Die Unterseite des Wagenkastens misst 8°.
Im Winter bietet sich das Sternbild Orion als Eichhilfe an. Zwischen den beiden hellsten Sternen (oben Beteigeuze, unten Rigel) sind es 18°, zwischen den Gürtelsternen und dem Rigel 9°. Die drei Gürtelsterne selbst erstrecken sich über eine Winkeldistanz von 2,7°.
Es kommt auf den Standort an

Höhe und zumeist auch Azimut eines Gestirns sind keine absoluten Größen - sondern ortsabhängig. So klettert z.B. der Polarstern um 1 Grad höher, wenn man 111 km weiter nach Norden fährt. Sofern ich Höhen- und Azimutwinkel auf meinen Websites angebe, gelten diese für den Raum Wien (genauer: für meine Balkonsternwarte in Wien-Floridsdorf). Ähnliches gilt für die ebenso ortsabhängigen Auf- und Untergangs- bzw. Dämmerungszeiten.
Kleiner und feiner: Die Bogenminute
1 Winkelgrad zerfällt in 60 Bogenminuten ('). Der Vollmond misst 30'. Seine Größe wird oft gehörig überschätzt. Tatsächlich lässt er sich leicht mit dem kleinen Finger verdecken.

Das freie Auge besitzt eine Trennfähigkeit von 1 bis 2'. Das würde etwa 110 bis 220 km in Monddistanz entsprechen.
Und nochmals kleiner: Die Bogensekunde
1 Bogenminute teilt man in 60 Bogensekunden ("). Planeten erscheinen kleiner als 1'. Der Jupiter bringt es auf maximal 50" - um seine Wolkenstrukturen zu beobachten, braucht es also ein vergrößerndes Fernrohr. Die Kugel des Saturn (ohne Ring) misst bestenfalls 20". Die dunkle Cassini-Teilung im Ring ist nur 0,8" breit (hier erleichtert der starke Kontrast die Sichtbarkeit).
Die Turbulenzen der Erdatmosphäre (Stichwort: Seeing) lassen selbst in leistungsfähigen Teleskopen selten Auflösungen von unter 1" (also 1/3600 Grad) zu. Das entspricht der Auflösungskraft eines Teleskops mit 120 cm freier Öffnung (bei gleich hellen Doppelsternen). In Monddistanz ist 1" knapp 2 km. Wir werden dort also kaum kleinere Details wahrnehmen können.

Mit speziellen Verfahren, die bei der Astrometrie oder der Planetenfotografie zum Einsatz kommen, gelangt man bei ruhiger Luft bis zur optischen Auflösungsgrenze mächtigerer Instrumente, und damit in Bereiche unter 1 Bogensekunde - z.B. auf 0,6" mit einem 20 cm Spiegelteleskop.
Die Position dieses Quasars (Entfernung zweieinhalb Milliarden Lichtjahre) konnte ich tatsächlich mit einer Genauigkeit von 0,45" ermitteln
Alle Angaben ohne Gewähr
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