Polarlicht: Filmen - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Die Aurora filmen (Seite überspringen)
Der steirische Priester und Physiker August Musger (hier in der Ehrengalerie der Grazer Burg) gilt als Erfinder der Zeitlupe. Dabei wird ein rascher Bewegungsvorgang langsam wieder gegeben, um ihn besser analysieren zu können.

Beim Filmen in der Astronomie hat man es hingegen meist mit dem umgekehrten Problem zu tun. Hier sollen langsame Bewegungen in korrektem Tempo oder in höherer Geschwindigkeit abgespielt und so erst sichtbar gemacht werden. In letzterem Fall spricht man von Zeitraffung.
Im Fall des Nordlichts tritt fast immer eine gehörige Zeitraffung auf - selbst wenn man diese gar nicht möchte.
Filmen in Echtzeit - fast immer unbefriedigend

Die allermeisten Fernsehdokumentationen zeigen eine unglaublich dynamische, hektisch über den Himmel rasende Erscheinung. Das hat allerdings mit der Aufnahmetechnik zu tun. Man muss das Tempo der Kamera bei der Aufnahme reduzieren, um die einzelnen Frames ordentlich belichten zu können.

Um den Film bzw. das Video ruckelfrei abzuspielen, laufen später um die 24 belichtete Frames pro Sekunde über den Bildschirm, von denen jedes einzelne Frame z.B. 2 Sekunden lang belichtet wurde. Ergebnis ist ein sehr starker Zeitraffereffekt (engl.: Timelapse). Die Aurora tanzt somit 48 mal schneller durchs Video als in Echtzeit. Fazit: Die Zeitraffung täuscht die rasante Bewegung des Nordlichts bloß vor.

Um die Aurora in Echtzeit zu filmen, dürfte man also bloß 1/24 sec belichten. Um trotzdem so viel Licht auf jedes Frame zu bekommen wie auf ein 2 sec lang belichtetes Foto, müsste man die (sowieso schon weit offene) Blende um 5,5 Stufen weiter öffnen oder die (sowieso schon hohe) ISO-Zahl von z.B. 1600 auf etwa 77000 hochschrauben. Das war bis vor kurzem unmöglich, ohne sich extrem starkes Rauschen einzufangen.
Heute scheinen manche ultramoderne Kameras mit sehr empfindlichen und rauscharmen Sensoren Aurora-Videoaufnahmen in Echtzeitschon zu erlauben. So weit ich weiß, gibt es solche Video-Kameras aber nicht im Amateurbereich: Dort bekommen die einzelnen Frames nach wie vor viel zu wenig Licht ab.

Bei extrem hoher ISO-Einstellung (also elektronischer Vorverstärkung) ist das Ergebnis arg verrauscht. Fixe Rauschmuster lassen sich rechnerisch mit Kalibrierungsaufnahmen mindern. Das bei hohem ISO-Wert besonders störende Zufallsrauschen bleibt jedoch.

In der Deep-Sky-Fotografie verringert man dieses Zufallsrauschen, indem man von jedem Objekt 25, 50 oder gar 100 Fotos schießt. Die legt man dann rechnerisch sterngenau übereinander. Derartige Stacking-Methoden mitteln das Zufallsrauschen einigermaßen weg. Das geht freilich nur, weil sich die astronomischen Zielobjekte relativ zu den anderen Sternen nicht oder nur gemächlich weiter bewegen.

Die Aurora hält hingegen nicht still. Sie tanzt zu schnell fürs Stacking. Extrem hohe ISO-Werte scheiden beim Filmen im Amateurbereich daher aus. Und auch die Blende lässt sich nicht weiter öffnen als bis zur Blendenzahl 1,4.  
Filme erstellen aus Einzelbildern

Vielversprechender ist es, Hundertschaften von unmittelbar hintereinander geschossenen, korrekt belichteten Standfotos später mittels Software zu einem Video zu kombinieren.


Eine Serie aus Standfotos

Wie man solche Standfotos macht, lesen Sie auf meiner Seite über die Nordlicht-Fotografie. Um Bewegungen ohne Verschmieren einzufangen, sollten die Einzelbilder hier möglichst kurz belichtet werden. Ein besonders lichtstarkes Objektiv (Blende 2 oder 2.8) empfiehlt sich daher.

Zum Erstellen der vielen Standfotos wählt man die Reihenaufnahmefunktion der Kamera und stellt den Kabelauslöser auf "Dauerfeuer": Man fixiert also dessen Auslöserknopf in gedrückter Stellung. Bei kabellosen Fernauslösern ist dies vermutlich nicht möglich bzw. nicht praktikabel.

Bei der Aurora vom 10./11.5.2024 machte ich auf diese Weise versuchsweise 258 Fotos - direkt hintereinander, mit je 2 sec Belichtungszeit, bei ISO 1600 und mit Blende 2,8. Kameraposition und Ausrichtung blieben während dessen unverändert.

Der Vorgang dauerte nicht knapp 9, sondern etwa 22 Minuten. Vor allem, weil die kamerainterne Rauschreduzierung eingeschaltet war. Außerdem brauchte das Schreiben der Dateien auf die Speicherkarte Zeit: Hier wäre es wohl besser gewesen, auf RAW zu verzichten - und bloß im jpg-Format abzuspeichern.

Programme zur Verwandlung

Diese 258 Einzelfotos im jpg-Format wurden Tage später einfach mit der Software Time Lapse Creator kombiniert. Sie ist kostenlos im Windows Store erhältlich. Dazu stellt man die entsprechenden Bilder am besten in einen eigenen Ordner.

Übrigens lassen sich die Einzelfotos auch mit dem kostenlosen Programm PIPP (sonst meist bei der Planetenfotografie eingesetzt) zu einem Filmchen kombinieren. Das Ergebnis überzeugt mich aber weniger: Die Sterne funkeln am Monitor allzu wild.


Die Zeit ist aus den Fugen

Frame Rate und Qualität (Auflösung) sind beim Time Lapse Creator wählbar. Bei 5 Bildern pro Sekunde ruckelt das Ergebnis. Bei 15 fps ist es schon wesentlich augenfreundlicher: Die knapp 260 Fotos mündeten letztlich in einen Film von 17 Sekunden Dauer.

Der hier völlig unvermeidliche, starke Zeitraffereffekt mit 77-facher Beschleunigung wirkt spektakulär. Er verfälscht die Realität aber auch. Dafür sind die Farben intensiv, und das Rauschen ist im Video kaum zu bemerken.
Im fertigen Filmchen sieht man, wie die Nordlichtstrahlen von West nach Ost ziehen.


Abhilfe gegen das Ruckeln

Wählt man eine niedrigere Frame-Rate, wird das Filmchen länger und die Zeitraffung fällt weniger extrem aus. Doch dann ruckelt das Video.

Hilft es, jedes einzelne Frame vor Einsatz der Software mehrmals in den selben Ordner zu kopieren, um eine höhere Framerate bei gleicher Filmdauer wählen zu können? Leider nein. Das Ergebnis ruckelt dann wieder.

Es gibt auch Software, die Frame Interpolation beherrscht. Dabei wird die Bewegung eines Objekts in zwei aufeinander folgenden Frames analysiert. Das Programm erstellt darauf hin ein künstliches drittes Frame mit einer Art Mittelposition des bewegten Objekts - und fügt dieses interpolierte Frame zwischen die beiden originalen Frames ein. Ziel dabei ist es, höhere Bildraten zu erzielen. Inwieweit dieser Trick bei astronomischen Aufnahmen sinnvoll ist, wäre zu klären.


Kamera-Neigung beachten

Beim Erstellen der Einzelfotos sollte man in jedem Fall sehr genau auf die Ausrichtung und horizontale Neigung der Kamera achten. Bei meinen Versuchsaufnahmen hatte ich darauf völlig vergessen.

Eine entsprechende Nachbearbeitung ist z.B. mit einer Video-Software wie Davinci Resolve (Australien) möglich. Die bei einer nachträglichen Bilddrehung entstehenden schwarzen Ränder werden durch gleichzeitiges Hineinzoomen verdrängt - was notgedrungen zu einem Verlust an Bildfeld führt. Und schärfer werden die Videos beim virtuellen Zoomen natürlich auch nicht.
Doppelt nützlich

Die gut belichteten Einzelbilder lassen sich auch als Fotos nutzen. Standfotos müssen also nicht erst mit Qualitätseinbußen aus dem Video extrahiert werden: Sie liegen vielmehr von Anfang an vor.
Meine persönliche Checklist:

    • Lichtstarkes Weitwinkelobjektiv wählen (z.B. 11 oder 16 mm)
    • Blende weit öffnen (z.B. 2 oder 2.8)
    • Überprüfen, ob der Autofokus wirklich abgeschaltet ist
    • Korrekt manuell fokussieren
    • Relativ hohe ISO-Zahl einstellen (z.B. 800 oder 1600)
    • Passende Belichtungszeit suchen (z.B. 2 oder 4 Sekunden)
    • Rauschreduzierung einschalten
    • RAW-Format eher abwählen, nur jpg verwenden
    • Reihenaufnahmefunktion aktivieren
    • Kamera waagrecht ausrichten
    • Kabelauslöser mit Feststellknopf auf "Dauerfeuer" stellen

>>> Was kann man möglicherweise hören?

Alle Angaben ohne Gewähr
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