Vergrößerung - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Die Vergrößerung
Unter der Vergrößerung eines Teleskops versteht man seine Fähigkeit, Gegenstände unter einem größeren Winkel zu präsentieren, als sie dem freien Auge erscheinen.

Ein zweifach vergrößerndes Opernglas zeigt den Mond somit nicht unter einem Winkel von 30, sondern 60 Bogensekunden; ein achtfach vergrößerndes Fernglas erlaubt dies unter einem Winkel von 4 statt 0,5 Grad.

Die Fläche eines Objekts würde gleichsam mit dem Quadrat dazu vergrößert. Galilei pries seine Teleskope mit dieser Flächenvergrößerung an - was man heute keinesfalls mehr macht. Ein Teleskop mit 30facher Vergrößerung hätte demnach die 900fache (30 x 30 = 900) Vergrößerungskraft gehabt.

Da es damals nur wenig Vergleichsquellen gab, ist Galileis Intention schwer einzuschätzen. Vielleicht sah er es so, vielleicht wählte er bewusst diesen Marketing-Trick.
Der prächtige Kartonbausatz von Astromedia ahmt Galileis Teleskop nach; er vergrößert 12 x. Galilei selbst hätte ihn wohl mit "145 facher Vergrößerung" angepriesen


Theoretisch alles machbar

Die Vergrößerung ist zweifellos eine wichtige Größe. Theoretisch lässt sich mit jedem Teleskop jede beliebige Vergrößerung erzielen. Man braucht nur ein Okular entsprechend kurzer Brennweite zu benutzen. Die Vergrößerung eines modernen Linsenteleskops oder Spiegelfernrohrs vom Typ Newton berechnet sich nämlich so:

  • Vergrößerung = Brennweite des Objektivs / Brennweite des Okulars

Ein Fernrohr mit 1.000 mm Objektivbrennweite erzielt mit einem Okular von 10 mm Brennweite somit eine Vergrößerung von 100 x; mit einem Okular von 2 mm Brennweite vergrößerte es theoretisch 500 x.
Mit diesen hochvergrößernden Okularen studierte Percival Lowell den Mars.
In Flagstaff, Arizona, meinte er fälschlich, Kanäle auf dem roten Planeten zu sehen


Der Linsentrick: Barlow und Shapley

Steckt man eine Zerstreungslinse (in der Praxis verwendet man Linsenkombinationen aus Kron- und Flintglas) an passender Stelle zwischen Objektiv und Okular, wird die Brennweite des Objektivs erhöht. Die nach dem britischen Mathematiker Peter Barlow benannte Zwischenlinse erlaubt es somit, mit ein und demselben Okular noch eine weitere, z.B. zwei oder dreimal höhere Vergrößerung zu erzielen.

Ein Jahrhundert später erfand der US-Astronom Harlow Shapley eine Sammellinse (in der Praxis wieder eine Linsenkombination), die den gegenteiligen Effekt hat. Steckt man eine Shapley-Linse zwischen Objektiv und Okular verringert sich die Objektivbrennweite. Damit erreicht mit man ein und demselben Okular eine zusätzliche, niedrigere Vergrößerung - die z.B. nur halb so stark ist.
Vor allem die vergrößerungssteigernde Erfindung des Peter Barlow wird visuell gern eingesetzt: Eine Verbesserung erfährt die Abbildungsqualität durch den Einschub eines zusätzlichen Linsensystems aber nicht.
Es gibt eine sinnvolle Grenze nach unten

Die Austrittspupille (AP) gibt an, unter welchem Durchmesser sich die Objektivöffnung am Okular abbildet. Das Resultat ist vom Durchmesser des Objektivs und von der gewählten Vergrößerung abhängig.

  • Austrittspupille = Objektivdurchmesser / Vergrößerung

Bei einem Teleskop von 60 mm Öffnung und 30facher Vergrößerung misst die Austrittspupille also 2 mm.

Je größer die Austrittspupille, desto heller ist die Abbildung flächiger Objekte. Jetzt wird auch klar, warum Ferngläser so geringe Vergrößerungen besitzen: Bei einem Glas 8 x 30 misst die AP 3,7 mm, bei einem lichtstarken Glas 7 x 50 hingegen 7 mm.

Allerdings wird der Einblick ins Okular unbequem, wenn die Austrittspupille des Teleskops größer ist als die Eintrittspupille des menschlichen Auges - was bei allzur schwachen Vergrößerungen passiert. Der Pupillendurchmesser beträgt beim an die Dunkelheit angepassten Auge 7 mm; im Alter wird er gegen 5 mm schrumpfen.

Somit existiert auch eine sinnvolle Minimalvergrößerung: Bei Teleskopen meidet man Okulare, die so schwach vergrößern, dass die Austrittspupille 7 mm übersteigt. In der Stadt macht die erhöhte Lichtstärke sowieso wenig Sinn - wegen des beständig aufgehellten Himmels.

Bei einem Fernrohr von 60 mm Öffnung wird man daher nicht unter 8 x vergrößern wollen, bei einem Teleskop von 100 mm nicht unter 14 x und bei einem Instrument von 200 mm Durchmesser nicht unter 29 x.
Um den Jupiter im Teleskop so groß zu sehen, wie den Mond mit freiem Auge, muss man bloß 36 x vergrößern. Beim fernen Neptun bräuchte es hingegen 500 x - ein illusorischer Wert
Es gibt eine sinnvolle Grenze nach oben

Aufgrund des Wellencharakters des Lichts und der Beugung machen allzu hohe Vergrößerungen keinen Sinn. Sie liefern kein Plus mehr an Details. Im Gegenteil: Weil eine höhere Vergrößerung auch optische Fehler des Instruments und die Luftunruhe mitverstärkt, sinkt die praktische Auflösung schließlich sogar wieder! Man spricht von "leeren Vergrößerungen". Entscheidend ist die freie Öffnung, also der Objektivdurchmesser in mm.

Wo diese beginnen, ist umstritten. Hier Angaben aus drei verschiedenen Quellen:

  • Maximal sinnvolle Vergrößerung = Objektivdurchmesser * 0,66 (AP = 1,5 mm)
  • Maximal sinnvolle Vergrößerung = Objektivdurchmesser * 1 (AP = 1,0 mm)
  • Maximal sinnvolle Vergrößerung = Objektivdurchmesser * 1,4 (AP = 0,7 mm)

Meine eigene Erfahrung:

  • Maximal sinnvolle Vergrößerung ~ Objektivdurchmesser (mm)

In der Praxis wird man sich, je nach Objekt und Luftunruhe, an die aktuell beste Vergrößerung herantasten.
Man startet mit einem schwach vergrößernden Okular und tauscht dieses dann gegen zunehmend stärker vergrößernde aus.

Wird das Bild schlechter, kehrt man zur letzten guten Lösung zurück.
Auf meiner Wiener Balkonsternwarte schaue ich mir Mond und Planeten mit einem Meade LX90 an.

Öffnung: 200 mm

Bei ruhiger Luft komme ich auf

  • meist 165 x (AP=1,2 mm)
  • gelegentlich 225 x (AP=0,9)
  • sehr selten 275 x (AP=0,7)
Die Vergrößerung stiehlt Licht

Die Vergrößerung hat nachts noch einen Nebeneffekt: Sie stiehlt flächigen Objekten wie dem Mond oder den Planeten Licht. Und zwar gleich "hoch 2".

Die Mondoberfläche erscheint bei 100 x viermal weniger hell als bei 50 x. In kleineren Teleskopen geraten Jupiter oder Saturn bei hoher Vergrößerung unbequem dunkel. Auch das ist ein Grund, nicht übertrieben stark zu vergrößern.
Saturn bei exzellentem Seeing, besser als 1". In dieser Nacht konnte ich bei 200 mm Öffnung problemlos 225 x vergrößern (AP = 0,9  mm). Bei 275 x wurde das Bild zu dunkel
Man kann aus diesem Lichtraub aber auch Vorteil ziehen

Eine höhere Vergrößerung dunkelt den Himmelshintergund ein, während punktförmige Objekte über weite Strecken unbeschadet bleiben. Somit steigert sich der Kontrast zwischen Sternen und ihrem - in der Stadt stark aufgehellten - Umfeld. Auch das funktioniert mit dem Quadrat:
Doppelte Vergrößerung dunkelt den Hintergrund viermal (also 2 hoch 2 x)  so stark ein. Will man schwache Sternchen aus dem städtischen Grau heraus kitzeln, helfen schwache Vergrößerungen also wenig.
Fazit

Mit einem Fernrohr von 60 mm Objektivdurchmesser wird man selten 120 x vergrößern können. Sollte Ihnen ein Kaufhaus ein solches Teleskop (unter Zugabe einer Barlowlinse) mit der schillernden Aufschrift "400 x" anbieten, wissen Sie nun: Technisch möglich, aber sinnbefreit. Besser, Sie konsultieren beim Kauf ein Fachhändler.
Die videogestützte Fotografie tut sich leichter als das Auge, weil sie die Momente unruhiger Luft automatisch verwerfen und die Kontraste steigern kann - wie hier 2022 beim Saturn
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