Brechung - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Brechung (optische Refraktion) und Dispersion
Früher glaubte man, das Licht bräuchte ein Trägermedium wie die Schallwellen. Doch den einst vermuteten „Äther“ gibt es nicht. Im Gegenteil: Gerade im Vakuum läuft das Licht zur Höchstform auf. Es erreicht dort ein Rekordtempo von mehr als einer Milliarde km/h. In jeder Sekunde könnte es siebeneinhalb Mal um den Erdball jagen.

Die berühmte Lichtgeschwindigkeit (c) gilt aber nur im absolut leeren Raum. Verlässt Licht das Vakuum, sinkt sein Tempo – im Wasser z.B. gleich um ein Viertel. An der Grenzfläche zweier Medien wird der Lichtstrahl deshalb aus seiner ursprünglichen Richtung gelenkt, gleichsam „geknickt“.

Man kann diese Brechung leicht an einem Stab studieren, den man ins Trinkglas steckt. Vorher füllt man es mit Wasser, Speiseöl oder beidem.
Tauchen wir den Finger in ein  gefülltes, zylindrisch geformtes Trinkglas, wird er scheinbar breiter.

Die  sphärisch geschliffene Lupe vergrößert ihn hingegen in allen Dimensionen. Linsenteleskope machen sich diesen Effekt zunutze.
Die Stärke der Brechung ist auch von der Wellenlänge abhängig - ein Effekt, der Dispersion heißt. Blaues Licht wird stärker gebrochen als rotes.

Bei Verwendung eines Prismas ist dieser Effekt willkommen, sonst nicht.
Dispersion in der Lufthülle

Unsere Atmosphäre ist ebenfalls ein Medium, das Lichtstrahlen aus der Bahn lenkt. Auch hier prägt die Wellenlänge das Ausmaß der Brechung ein klein wenig mit: Die atmosphärische Dispersion trägt zum Sternenfunkeln bei und stattet Himmelsobjekte mit farbigen Rändern aus.

Sinken Objekte herab, vergrößert sich der Weg der Lichtstrahlen durch die Lufthülle. Am Horizont verlängert er sich sogar ums 39-fache. Entsprechend wächst das Ausmaß der Dispersion. Auch aus diesem Grund sind Fernrohrbesitzer bestrebt, Planeten bei möglichst hohem Stand zu betrachten.
So schaut der Saturn im farbreinen Spiegelteleskop aus. Der tiefer gelegene Südrand wird rötlich, der höher liegende Nordrand bläulich.

Beim Fotografieren rechnet meist die Bildbearbeitungssoftware die Dispersion weg.
Man kann aber auch ein spezielles Gerät - den Atmospheric Diffusion Corrector (ADC) - in den Strahlengang setzen.
Darin sorgen zwei gegeneinander drehbare Prismen für eine künstliche Dispersion, die umgekehrt zur atmosphärischen Dispersion ausgerichtet wird. Die Handhabung ist eher mühsam.
Dispersion auch im Fernrohr

Ohne Brechung gäbe es keine Linsen - weder in den Augen, noch für Brillen, noch für Fotoobjektive, noch für Teleskope.

Die mit der Brechung einher gehende Dispersion ist jedoch unerwünscht. Ihretwegen werden Lichtstrahlen unterschiedlicher Wellenlängen in unterschiedlichen Brennpunkten vereint: Wir können im Teleskop immer nur auf eine Wellenlänge scharf stellen; die Bilder der anderen Wellenlängen legen sich konzentrisch darüber.

Daher erblicken wir immer auch instrumentell entstandene farbige Ränder, speziell an Kanten mit starkem Kontrast. Man spricht von chromatischer Aberration (griech. sinngemäß: Farbabschweifung).

Generell ist das Problem dieser Farbabschweifung bei schnellen Linsenteleskopen (Öffnungszahl z.B. 5) stärker als bei langsamen (Öffnungszahl z.B. 11). Man versucht, sie durch die Wahl passender Linsenkombinationen halbwegs in den Griff zu bekommen. Daher findet man heute praktisch keine einlinsigen Fernrohrobjektive mehr.
Bei zwei solcher Objektivlinsen wird das Licht zweier Wellenlängen im Fokus vereint; man hat es dann mit einem Achromaten (griechisch: a, ohne; chroma, Farbe) zu tun.

Pioniere beim Bau solcher Achromaten waren der Engländer John Dolland und der Münchener Joseph Fraunhofer (rechts sein Denkmal in München).

Bei den teuren, dreilinsigen Apochromaten (griech.: apo, frei) besitzt das Licht dreier Wellenlängen den selben Brennpunkt.

Solche Geräte, meines Wissens zunächst vom deutschen Physiker Ernst Abbe berechnet, können auch mit kleiner Öffnungszahl realisiert werden; sie eignen sich somit unter anderem als Reiseteleskope.

Um Abhilfe zu schaffen, lassen sich Farbränder mit Farbfiltern oder Spezialfiltern (Fringe Killer) abschwächen. Bei Fotografien nutzt man die entsprechende Funktion der Bildbearbeitungssoftware.

Man sollte auch prüfen, welchen Anteil eine womöglich zwischengeschaltete Barlow-Linse bzw. ein bestimmtes Okular am Farbfehler hat. Es gibt tatsächlich auch defekte Okulare.

Teleskopspiegel zeigen keine chromatische Aberration, da die Reflexion - anders als die Brechung - für alle Wellenlängen gleich ist. Sie sind farbrein. Speziell im Vergleich zu den teuren Apochromaten sind Spiegelteleskope somit wahre "Schnäppchen".

An deren Fangspiegelrand kommt es aber zu Beugungseffekten: Spiegelteleskope besitzen somit eine geringere reale Auflösung als Apochromaten gleicher Öffnung.


Alle Angaben ohne Gewähr
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