Die Erdmagnetosphäre (Seite überspringen)
Die geografischen Pole der Erde sind uns wohlbekannt. Diese Rotationspole liegen quasi an jenen Stellen, wo die Erdachse "aus dem Erdkörper ragt" - der nördliche liegt in der Arktis, der südliche in der Antarktis. Dort ist die geografische Breite +90 bzw. -90 Grad. Es gibt aber auch noch die magnetischen Pole. Und die sind nicht ident mit den geografischen.
Die Erde - ein Dynamo
Dynamos kennen wir vom Fahrrad: Das drehende Rad erzeugt im Dynamo ein Magnetfeld, das wiederum in Strom umgewandelt wird und dann Vorder- und Rücklicht antreibt. Auch die sich drehende Erde generiert ein Magnetfeld.Die Erdrotation erfolgt mit knapp 24 Stunden relativ flott. Sie erzeugt einen Dynamoeffekt im äußeren Erdkern, der aus flüssigem Eisen und Nickel besteht. Er generiert das Erdmagnetfeld. Ohne dieses Feld gebe es keinen Kompass, und Zugvögel verlören wohl die Orientierung.
Foto links: Der Eisenmeteorit Odessa (Texas)
Ähnlich der Erde bildeten auch größere Kleinplaneten Eisenkerne aus, die allerdings völlig erstarrten. Die meisten Eisenmeteorite gelten als Materialproben solcher Kleinplanetenkerne
Früher dachte man, Magnetnadeln würden sich an den Sternen ausrichten. Der englische Physiker William Gilbert verfasste im Jahr 1600 jedoch das Buch "De Magnete", in dem er unsere Erde selbst als großen Magneten beschrieb. Johannes Kepler studierte sein Werk mit Interesse. Und auch Galileo Galilei, ebenfalls ein Zeitgenosse Gilberts, experimentierte mit Magneten.
Die Zirkulation des flüssigen Nickeleisens im Erdkern erfolgt nicht völlig parallel zur Erdäquatorebene. Das hat Folgen: Seefahrern fiel auf, dass die Kompassnadel nicht exakt auf den geografischen Pol zeigt. Der Astronom Edmond Halley, ein Freund und Zeitgenosse Isaac Newtons, studierte diese ortsabhängige Missweisung auf seinen Seereisen. Im Jahr 1700 legte er eine Karte mit entsprechenden Messungen vor.
Diese Missweisung ist nicht nur von Ort zu Ort verschieden, sondern ändert sich mit der Zeit. Das was die Magnetnadel anzieht, wandert offensichtlich!
Foto links: Der Kompass, im Navi-Zeitalter wenig benutzt, belegt die Existenz des Erdmagnetfelds
Die Orte der magnetischen Pole sind also nicht ident mit den geografischen. Sowohl Richtung und Abstand unterliegen zeitlichen Veränderungen. Laut NOAA liegt der arktische Magnetpol derzeit etwa 400 km vom nördlichen Rotationspol entfernt und zwar in Richtung Nordost-Kanada.An den Magnetpolen treten die Feldlinien des Erdmagnetfelds gleichsam vertikal in die Erde ein- bzw. aus der Erde aus. Eine frei aufgehängte Magnetnadel würde dort praktisch senkrecht stehen.
Sprachliche Verwirrung
Außerdem ist es die Nordseite der Kompassnadel, die - wenngleich mit Abweichungen - gen Norden zeigt. Der dort liegende Magnetpol muss also ein magnetischer Südpol sein. Denn gleichartige Magnetpole stoßen einander ab, anstatt einander anziehend zu finden.Weil dieser magnetische Südpol in der Arktis, also im Norden liegt, wird er trotzdem meist magnetischer Nordpol genannt. Sein antarktisches Gegenstück gilt als magnetischer Südpol - obwohl diese Benennungen rein physikalisch falsch sind. Daher spreche ich in Bezug auf die Magnetpole lieber vom "arktischen" bzw. "antarktischen Magnetpol" und lasse "Nord" bzw. "Süd" hier weg.
Ein launischer Schutzschild
Das heutige Erdmagnetfeld besitzt eine Stärke von 25 bis 60 Mikrotesla (µT). Das entspricht 0,25 bis 0,6 Gauss (G). An den Polen ist es schwächer als an den Polen. Für Mitteleuropa werden 48 Mikrotesla (0,48 G) angegeben.
- 1 G = 100 µT = 100.000 nT
Zum Vergleich: Ein Kühlschrankmagnet ist mit 100 G etwa 200 x stärker als das lokale Erdmagnetfeld.
Links:
Johannes Kepler starb 1630 in Regensburg. Seine letzten Arzneien stammten aus der nahen Elephantenapotheke. Deren Hauszeichen gibt es heute als Kühlschrankmagnet
Man kann sich das Erdmagnetfeld grob als einen riesigen Stabmagneten vorstellen, der um gegenwärtig 11 Grad zur Rotationsachse der Erde geneigt ist.Es gbt kurzzeitige und langzeitige Instabilitäten. Die besonders kurzzeitigen werden im K- bzw. Kp-Index ausgedrückt und sind für Polarlichtbeobachter von besonderem Interesse.Aber auch über lange Zeiträume hinweg betrachtet, ist das Erdmagnetfeld weder in seiner geometrischen Struktur noch in seiner Feldstärke konstant. Es gibt Einbrüche, die einige tausend Jahre andauern können. Umpolungen treten mehrmals im Verlauf von einer oder Dutzenden Mio. Jahren auf: Dabei verliert das Feld seinen bipolaren Charakter; statt zwei Magnetpolen existieren dann - vielleicht ein Menschenleben lang - mehrere schwache Pole.Seit den Messungen von Carl Friedrich Gauß (1832) nahm die Stärke des Erdmagnetfelds um etwa zehn Prozent ab. Mutmaßlich befindet es sich in einem frühen Stadium der Umpolung. Ein solcher Vorgang hätte definitiv Auswirkungen auf die künftigen Sichtbarkeitsgebiete des "Polarlichts".
Thomas Gold und die Magnetosphäre
Der vom irdischen Magnetfeld dominierte Raum heißt Magnetosphäre - ein Begriff, den der aus Wien emigrierte Physiker Thomas Gold 1959 prägte. Die Magnetosphäre, von Raumsonden nachgewiesen, ist sehr nützlich, weil sie uns einen Teil der kosmischen Strahlung vom Leib hält und auch die Atmosphäre schützt.Die meisten Satelliten, Internationale Raumstation inklusive, verweilen stets innerhalb der Magnetosphäre. Sie wird von der Magnetopause begrenzt. Außerhalb führt das interplanetare Magnetfeld (IMF) und damit der Sonnenwind Regie.Der Sonnenwind umströmt die Magnetosphäre, staucht sie auf der sonnenzugewandten Seite aber auf 60.000 bis 30.000 km Radius zusammen.
Auf der sonnenabgewandten Seite wird die Magnetosphäre schweifartig bis aufs zehnfache in die Länge gezogen. Man spricht vom Magnetschweif der Erde.
Bild links: Die vorn gestauchte, hinten schweifartig langgezogene Magnetosphäre der Erde (Grafik: NASA).
Geladene Teilchen können nicht rechtwinkelig zu den Magnetfeldlinien in die Magnetosphäre eindringen. Sie werden vielmehr von deren Magnetfeldlinien abgelenkt, als wären sie Fische in einem Strom, der auf einen Felsen trifft. Auf der sonnenabgewandten Seite "weht" der Magnetschweif im Sonnenwind wie eine Flagge am Schiffsmast.
Hier sind die Linien des Erdmagnetfelds wie Gummibänder gestreckt und teilweise offen. Teilchen des Sonnenwinds sickern daher in die Magnetosphäre ein und sind in der Plasmaschicht gefangen.
Die Plasmaschicht wird ausgequetscht
Über einen Prozess, den man Feldlinienverschmelzung nennt, verschmelzen im Magnetschweif Feldlinien des interplanetaren Magnetfelds mit solchen der Erde. Bei diesem wilden Vorgang werden Magnetosphärenteilchen in der Plasmaschicht, dem zentralen und dichtesten Teil des Magnetschweifs, sehr stark beschleunigt. Sie gewinnen Energie, weshalb man sie nun auch "heiße Ionen" nennt.Es ist, als würde man auf eine geöffnete Zahnpastatube treten: Ihr Inhalt schießt heraus. Ähnlich hetzen die zuvor in der Plasmaschicht gefangenen Elektronen nun rückwärts Richtung Erde. Sie spiralisieren die Feldlinien entlang und auf die magnetischen Pole zu.Von komplexen elektrischen Feldern beschleunigt, erreichen sie Geschwindigkeiten um 20.000 km/sec - das ist ein Fünfzehntel der Lichtgeschwindigkeit!
Induzierter Quasi-Gleichstrom
Während der erdmagnetischen Unruhe wird Strom in lange Leiter, also z.B. elektrische Kabeln, Drähte oder Stahlrohre induziert. Es sollen 6 V pro Kilometer Länge sein. Schon 1859 funktionierten Telegrafen zeitweise ohne Batterie, wurden in Brand gesetzt und fielen aus. Der entstehende Quasi-Gleichstrom überhitzt im Hochspannungsnetz außerdem Transformatoren, da diese nur mit Wechselstrom arbeiten können.Eine umfangreichere Darstellung von Austrian Power Grid über den Einfluss von Sonnenstürmen auf das österreichische Stromnetz finden Sie hier als pdf-Download.Der starke Sonnensturm vom 10./11. Mai 2024 induzierte freilich auch Ströme in den Erdboden. In den USA nahm die Spannung regional bis ums 10.000-fache zu; sie erreichte in Virginia 10 V pro Kilometer (NOAA/USGS). Eine Live-Darstellung des aktuellen elektrischen Felds in Nordamerika sehen Sie hier bei der NOAA (1 mV = 0,001 V).
Kollisionen in dünnster Luft
Die Teilchen aus der Erdmagnetosphäre schaffen es jedenfalls nicht bis zu den Magnetpolen. Sie kollidieren zuvor mit den Ausläufern unserer Lufthülle - und das hat deutlich sichtbare Folgen.