Koronis und Karin ?
Apollon vor der Athener Akademie
Der Kleinplanet Nr. 158 ging Viktor Knorre an der Berliner Sternwarte ins Netz, und zwar am 4. Jänner 1876. Benannt wurde er wahrscheinlich nach einer Geliebten des Apollon: Von diesem Gott schwanger, leistete sich die junge Koronis ein Stelldichein mit dem König Ischys. Der zu ihrer Bewachung abgestellte Rabe verriet Apollon den Seitensprung. Der Gottließ seine Geliebte daraufhin töten oder brachte sie selbst um.Seinen ungeborenen Sohn aber entriss er Koronis' Leib: Dieser Apollon-Spross, Asklepios genannt, wurde zu einem unnachahmlichen Heiler und später zum Sternbild Schlangenträger. Der geschwätzige Rabe, von Apollo geschwärzt, wurde letztlich ebenfalls an den Himmel versetzt.
Eingangstor der Heidelberger Sternwarte
40 Jahre nach Entdeckung des Asteroiden Koronis stieß Max Wolf, Pionier der Himmelsfotografie, am 20. September 1916 an der Heidelberger Sternwarte auf den 832. Kleinplaneten. Wolf taufte ihn Karin, nach Karin Mansdotter. Deren Geschichte hatte er wohl während seines Studienaufenthalts in Stockholm erfahren.
Die früh elternlos gewordene Soldatentocher Mansdotter hatte ab 1565 als Kammerzofe gearbeitet und war bald Geliebte des schwedischen Königs Erik XIV. geworden. Aus Standesgründen schloss man die Ehe zunächst heimlich. Doch 1568 wurde die Sechzehnjährige zur schwedischen Königin gekrönt.Der Asteroid Koronis kreist im äußeren Hauptgürtel, zählt zur Spektralklasse S und besitzt einen mittleren Radius von knapp 20 km. Bei einem Abstand von 2,87 AE benötigt Koronis 4,86 Jahre für einen kompletten Sonnenumlauf.
Die Koronis- und die Karin-Familie
Tatsächlich hat die Koronis eine ganze Gruppe von Kleinplaneten mit ähnlichen Bahneigenschaften um sich geschart. Astronomen sprechen von einer Bahnfamilie. Die Koronis-Familie umfasst mindestens 6.000 Mitglieder.
Grabstein von Johann Palisa
Die Koronis ist allerdings nicht das größte Mitglied ihrer Familie. Vielmehr wird sie von der Lacrimosa übertroffen, weshalb auch die Bezeichnung Lacrimosa-Familie Verwendung findet.Die Lacrimosa (lat., die Tränenreiche) ist eine Entdeckung des Österreichers Johann Palisa. Die gelang 1879 an der Seesternwarte Pola (Pula).Palisa konnte den 208. Kleinplaneten nur kurz beobachten. Seine Widerauffindung war mit entsprechender Mühsal verbunden. Lacrimosas Name spiegelt dies womöglich wider.
Der Kleinplanet Ida. Foto: NASA
Ebenfalls zur Koronis-Familie zählt Palisas Entdeckung Ida (Wien, 1884).Beim Vorbeiflug an Ida im Jahr 1993 wies die Jupitersonde Galileo erstmals einen Kleinplanetenmond nach: Idas Begleiter, Daktyl, ist gerade einmal 1,4 km klein.
Die Koronis-Familie entstand, Bahnberechnungen zufolge, als ein vielleicht 120 km großer Mutterkörper bei einer Kollision in Abertausende Stücke zerschlagen wurde. Das mag vor 2,2 bis 1,4 Jahrmilliarden geschehen sein.Ein vielleicht 33 km großes Mitglied der Koronis-Familie wurde vor 5,8 Mio. Jahren Opfer eines weiteren Zusammenstoßes. Von diesem Körper blieben mindestens 90 neue Objekte übrig, darunter die oben erwähnte, 19 km kleine Karin.Diese Karin bildet mit weiteren, kaum 7 km kleinen Schwestern die Karin-Familie, gleichsam eine Untergruppe der Koronis-Familie. Dort hat man den Jarkowski-Effekt nachgewiesen: Er zerstreut die Schwesternschar in 100 Mio. Jahren vollends.
H-Chondrite
Im Oktober 2024 erschien in Nature eine Studie mit dem Titel Young asteroid families as the primary source of meteorites.Die Autoren rund um Miroslav Brož (Karls-Universität, Prag) machen zwei Kollisionen innerhalb der Koronis-Familie vor 7,6 und vor 5,8 Mio. Jahren für die Existenz der H-Chondrite verantwortlich. Zur Erinnerung: Bei der Kollision vor 5,8 Mio. Jahren entstand die Karin-Familie.
Meteorit Juancheng (H5)
Wie die Studie betont, würden sich die jungen Koronis- und Karin-Familien von allen anderen Familien im Hauptgürtel durch deren enorme Anzahl kleiner Fragmente unterscheiden. Diese sind natürlich leichter zu stören und eventuell auf Erdkurs zu bringen als massereiche Körper.
Der H-Chondrit Gao
Bei einigen Meteoritenfällen gelang es, die Flugbahnen ins All zurück zu rechnen.Die ermittelten Raumbahnen von H-Chondriten würden ebenfalls zu obiger Abstammung passen - so die Autoren.
Burnabbie (H5)
Gleiches soll für das Bestrahlungsalter der H-Chondrite gelten:Dieses Alter zeigt an, wie lange solche Meteorite im Raum ungeschützt der kosmischen Strahlung ausgesetzt waren.
Falls die Theorie stimmt, wäre die Herkunft der H-Chondrite geklärt. Zu dieser großen Gruppe zählen vier von zehn Meteoriten.Die Schausammlung im Meteoritensaal des Naturhistorischen Museums in Wien ist die größte der Welt. Hier lassen sich zahlreiche H-Chondrite studieren.
Der Kleinplanet Ida, eine österreichische Entdeckung, zählt zur Koronis-Familie
Koronis, Karin & Schwestern beobachten bzw. fotografieren
Am ehesten lassen sich die lichtschwachen Asteroide im Fernrohr blicken, wenn sie in Opposition stehen.
Koronis
Bei der Koronis geht ohne starkes Fernrohr gar nichts.Oppositionen: November 2025 (12,8 mag), Februar 2027 (13,0 mag), Mai 2028 (13,4 mag), August 2029 (13,2 mag), November 2030 (12,8 mag), Februar 2032 (13,1 mag)
Lacrimosa
Etwas größer als ihre Schwester Koronis, mag man die Lacrimosa bei einer Oppositionshelligkeit um 13 mag gerade noch im Teleskop erspähen können. Voraussetzungen: dunkelster Landhimmel, hohe Vergrößerung, indirektes Sehen. Fotografen tun sich wie immer leichter.Oppositionen: Mai 2025, September 2026, Dezember 2027, März 2029, Juni 2030, September 2031
Ida
Dieses Mitglied der Koronis-Familie ist wohl Fotografen vorbehalten. Nach Idas winzigem Mond Dactyl brauchen aber auch sie nicht zu suchen.Oppositionen: Dezember 2025 (13,6 mag), April 2027 (13,9 mag), Juni 2028 (14,0 mag), Oktober 2029 (13,7 mag), Jänner 2031 (13,6 mag)
Karin
Die kleine Namensgeberin der Karin-Familie lässt sich bestenfalls von Himmelsfotografen einfangen.Oppositionen: Februar 2025 (15,2 mag), April 2026 (15,3 mag), Juli 2027 (14,8 mag), November 2028 (14,6 mag), Februar 2030 (15,3 mag), Mai 2031 (15,3 mag)
Alle Angaben ohne Gewähr!