Quasare - Licht aus extremer Ferne
1959 kannten Radioastronomen 471 außerirdische Signalquellen. Im Folgejahr machte Allan Sandage ein scheinbares Sternchen am mutmaßlichen Ort einer Radioquelle, Katalogbezeichnung 3C48, aus. Sie lag im Sternbild Dreieck. Ein ähnlicher Fund gelang beim Radioobjekt 3C273 im Sternbild Jungfrau. Hier erhielt das "Sternchen" den Namen HIP 60936. Stammte das starke Radiorauschen womöglich von diesen beiden Sternen?
Der Mond eilt zu Hilfe
Den Empfangsanlagen mangelte es damals noch an der nötigen Trennschärfe, um diese Frage eindeutig zu klären. Doch der Mond leistete den Astronomen 1962 Assistenz. Er bedeckte die Radioquelle 3C273 kurzzeitig. Bei dieser Sternbedeckung verstummte das Signal abrupt. Nun lag deren Position mit ausreichender Präzision vor.Der Radiosender war tatsächlich ident mit dem Sternchen HIP 60936. Es war, als würde man nach einer nur grob ortbaren Radiostation auf Erden suchen - und blickte plötzlich auf deren Sendemast!Somit kannte man auch den optischen Gegenpart zum kosmischen Radiosender. Sofort wurden alte Fotoplatten nach dem vermeintlichen Sternchen durchmustert, unter anderem in Heidelberg. Sie offenbarten unregelmäßige Helligkeitsausbrüche, und das innerhalb von Monaten. So rasch konnte sich nur ein kleines Objekt verändern.Bei einem Treffen in Dallas wurde 1963 ein Objektname für sternähliche, gleichsam stellar anmutende Radioquellen ersonnen. Man sprach nun von quasi-stellaren Objekten (QSO), im Fachjargon von Quasaren.
Amateuraufnahme des Quasars 3C273
On the run
Dem Astronomen Maarten Schmidt gelang es, das eigentümliche Spektrum des Sterns HIP 60936 aufzunehmen. Alle Spektrallinien waren überraschend stark ans rötliche Ende des Farbbands verschoben - was eine wahnwitzige Radialgeschwindigkeit anzeigte. Der "Stern" und damit die Radioquelle schienen mit 180 Mio. km/h davon zu jagen, einem Sechstel der Lichtgeschwindigkeit!1965 hatte man bereits zehn Quasare identifiziert. Deren rasante "Fluchtgeschwindigkeit" bereitete jedoch Kopfzerbrechen. Längst wusste man um den Zusammenhang zwischen Tempo und Distanz: Je schneller eine Galaxie von uns (und den anderen Milchstraßen) zu fliehen scheint, desto weiter ist sie auch entfernt: Dies ist eine Folge der kosmischen Expansion.Wandte man diese Beziehung an, mussten uns Milliarden Lichtjahre von den Quasaren trennen. In solchen Weiten erspähte man schon Galaxien nur mit Mühe, obwohl sie doch jeweils Milliarden Sterne umfassten. Wie sollte ein einzelnes sternartig anmutendes Objekt, offenbar klein wie unser Sonnensystem, dieses Kunststück schaffen?
Ein neuer Begriff: Schwarzes Loch
An der oben erwähnten Tagung in Dallas hatte auch der US-Physiker John Wheeler teilgenommen. Ihn faszinierte eine äußerst exotische, beobachtungstechnisch damals aber völlig unbestätigte Konsequenz der Allgemeinen Relativitätstheorie: Demnach sollte es da draußen Objekte mit extremen Anziehungskräften geben, denen nicht einmal mehr das Licht entrann. 1967 prägte Wheeler dafür den Begriff Schwarzes Loch.In den Siebzigerjahren machten Großteleskope klar: Quasare hocken im Kern ausladender Milchstraßen, die bloß ihrer enormen Erddistanz wegen bislang unentdeckt geblieben waren. An deren Stelle fing man also bloß einen leuchtkräftigen Lichtpunkt bzw. "quasistellare" Radiostrahlung ein. Das winzig anmutende Zentrum strahlte viel mehr Strahlung ab, als die ganze, womöglich 100.000 Lichtjahre weite Peripherie.In ihrem Herzen versteckt praktisch jede Galaxie ein supermassereiches Schwarzes Loch. Es übt oft die Anziehungskraft von Milliarden Sonnen aus. Was ihm zu nahe kommt, wird zerrissen.Die Materie erfährt eine ungeheure Beschleunigung und stürzt daher nicht sofort ab. Vielmehr spiralt sie zunächst in einer wachsenden Akkretionsscheibe (lat. accretio, Zunahme) um das Monster herum. Bei rasch rotierenden Schwarzen Löchern zieht die Materie vor dem Absturz besonders enge Kreise. Die Teilchen reiben sich heftig aneinander, die Temperatur steigt dramatisch.Masse wird zu Energie. Millionen Grad heiß, sendet der innere Teil der wirbelnden Akkretionsscheibe deshalb Unmengen an Gamma- und Röntgenstrahlung aus. Hinzu gesellen sich UV-Strahlung, sichtbares Licht und eben starke Radiowellen. Nichts sonst könnte so viel Energie erzeugen.
Jet!
Doch nicht alle Materie ist totgeweiht. Rund ums zentrale Schwarze Loch baut sich gewaltiges Magnetfeld auf. Es reißt manche Teilchen aus der Akkretionsscheibe und jagt diese entlang der Feldlinien fort, in Richtung der Magnetpole. Dieses heiße Gas hetzt in Gestalt zweier entgegengerichteter Jets davon, fast bis an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt.So einen relativistischen Jet besitzt auch der Quasar 3C273: Er ist eine Million Lichtjahre weit.
Zählen zur Verwandtschaft: Blazare
Ist dieser relativistische Jet auf die Erde gerichtet, erscheint uns der Strahl besonders hell. Astronomen sprechen dann von einem Blazar. Das Kunstwort leitet sich von BL Lacertae ab. Dieses Objekt im Sternbild Eidechse, entdeckt 1929 vom Deutschen Cuno Hoffmeister, wurde zunächst für einen - in seiner Helligkeit unregelmäßig variierenden - Stern unserer Milchstraße gehalten.Erst in den Sechziger- und Siebzigerjahren wurde klar: Hier hatte man es mit einer ganzen Galaxie zu tun: 900 Mio. Lichtjahre entfernt und mit aktivem Kern. In Anlehnung an diesen "Prototyp" taufte man ähnliche Galaxien BL Lacertae Objekte bzw. Blazare.Blazare besitzen nicht ganz die Leuchtkraft von Quasaren, unterliegen aber starken Helligkeitsschwankungen - und das oft innerhalb von Stunden.
Aktive galaktische Kerne - der Überbegriff
Vor allem in jungen Galaxien, in deren Mitte noch reichlich Gas existiert, wird das massereiche Schwarze Loch üppig mit Materie versorgt. Entsprechend kräftig und hell gerät dessen Akkretionsscheibe. Deren Strahlung steuert dann einen signifikanten Teil zum gesamten Output der entsprechenden Milchstraße bei. Das Spektrum unterscheidet sich von jenem der darin kreisenden Sternmilliarden.Man spricht hier von einem aktiven galaktischen Kern (engl.: active galactic nucleus, kurz AGN). Je nach Spektrum und absoluter Helligkeit unterteilt man die zahlreichen aktiven Kerne in eine Reihe von Unterkategorieren: Dazu zählen Seyfertgalaxien, Radiogalaxien, LINER, die erwähnten Blazare und - quasi als ganz besondere Recken in puncto Leuchtkraft - die Quasare.
Ein Jet - nicht bei einem Quasar, sondern bei der aktiven Galaxie M87. Ursache ist aber auch hier ein extrem massereiches Schwarzes Loch
Weitenrekord
Mit freiem Auge erspäht man noch den Andromedanebel in 2,5 Mio. Lichtjahren Abstand. Mit dem Amateurteleskop kommt man bei Galaxien auf wenige hundert Mio. Lichtjahre, je nach Fernrohrleistung. Hat man einen Quasar im Visier, erreicht man einen teleskopischen Weitenrekord. Immerhin überwindet das Licht hier zumeist Milliarden Lichtjahre, bevor es von unserer Optik eingetrichtet wird. Vor allem der erwähnte 3C273 eignet sich für persönliche Rekordversuche.
Helligkeit
Die noch am ehesten zu beobachtenden Quasare sind zwischen 13 und 14 mag. Ihr matter Glanz mag allerdings in schwanken - denn immerhin schauen wir hier bei einer kosmischen Raubtierfütterung zu. Mit sehr viel Glück rutscht ein normalerweise viel zu lichtschwaches Objekt dann kurzzeitig doch einmal in den Leistungsbereich des eigenen Teleskops.
Interessante Quasare für Amateure
3C273Das ist der mit Abstand hellste Quasar und auch der vorderste, der sicher identifiziert wurde. Hier konnte man den optischen Counterpart als erster sicher mit der Radioquelle in Verbindung bringen.Die Helligkeit dieses Objekts beträgt etwa 12,8 mag, variiert aber um wenige Zehntel Größenklassen zwischen 12,1 und 13,1 mag. 3C273 liegt zwischen den ausgebreiteten Armen der himmlischen Jungfrau. Er kann mittels Star Hopping oder unter Vewendung eines Goto-Teleskops angesteuert werden. Astrofotografen können ihn auch a posteriori auf ihren Fotos identifizieren.Die absolute Helligkeit dieses Quasars beträgt -26,7 mag: Rückte man ihn in 33 Lichtjahre Erdabstand, ritterte er an unserem Himmel mit dem Glanz der Sonne. Nur angesichts einer Entfernung von 2,4 Milliarden Lichtjahren schmilzt sein Schein so sehr zusammen.Im Vergleich zu den allermeisten anderen Quasaren steht uns 3C273 dennoch vergleichsweise nah: Daraus resultiert die grundsätzliche Sichtungsmöglichkeit in mittleren Amateurteleskopen.3C273 befindet sich inmitten der (für Amateure nicht sichtbaren) Galaxie PGC 41121. Das für die Energieproduktion verantwortliche Schwarze Loch dürfte 900 Mio. Sonnenmassen umfassen. Die Akkretionsscheibe drum herum strahlt 4 000 000 000 000 mal mehr Licht aus als unsere Sonne.Kooridinaten (2000): RA 12h 29m 06.7s De +02° 03′ 09″
Ein altes QBASIC-Programm berechnet die scheinbare aus der absoluten Helligkeit und der Distanz - hier für 3C273
3C48Dieses Objekt wurde bereits 1960 entdeckt und (als zweiter Vertreter dieser Objektkategorie) später auch als Quasar identifiziert. Es ruht im Sternbild Dreieck, das wir an Winterabenden südlich der Andromeda aufstöbern.Dieser Quasar ist 3,9 Milliarden Lichtjahre entfernt und glimmt daher bloß mit 16,2 mag. Für die visuelle Beobachtung am Teleskop ist das zu wenig. Aber vielleicht fängt ja ein Astrofotograf 3C48 ein.Koordinaten (2000): RA 01h 37m 41.1s, De +33° 09′ 32″KUV 18217+6419UGC 545 - Zwicky 1Dieser Quasar im Drachen ist normalerweise um die 14 mag hell. Mitunter erleidet er jedoch Helligkeitsausbrüche, wie im Oktober 2011. Da schätzten ihn Amateure auf 13,3 mag.Koordinaten (2000): RA 18h 21m 57.2s, De +64° 20′ 36″Im Sternbild Fische liegt die Galaxie Zwicky 1. Der Schweizer Fritz Zwicky entdeckte sie 1964. Nachträglich fand man sie auf alten Fotoplatten, zurück bis ins Jahr 1909. Das ließ Helligkeitsausbrüche erkennen. Zwicky 1 wird unter die Seyfert Galaxien gereiht und trägt einen Quasar im Zentrum. Mit einer Distanz von 850 Mio. Lichtjahren ist dieser untypisch nah: Helligkeit: 14,1 mag.Koordinaten (2000): RA 00h 53m 34.94, De +12° 41′ 36″HS 0624-6907Dieser im Schnitt 14,2 mag helle Quasar soll 4,5 Milliarden Lichtjahre entfernt sein. Er unterliegt Leuchtkraftschwankungen um etwa 0,2 Größenklassen. Man findet ihn im polnahen Sternbild der Giraffe.Koordinaten (2000): RA 6h 30m 02.6s, De +69° 05′ 03″
B3 0754+394
Im Sternbild Luchs wartet dieses QSO auf Beobachter. 1,4 Milliarden Lichtjahre trennen uns von ihm. Am Himmel erscheint es bestenfalls 14,4 mag hell.Koordinaten (2000): 7h 58m 00.1s, +39° 20′ 29″
Zeitweise hellere Quasare
Manche Quasare sind zwar mit sehr bescheidenen Helligkeiten gelistet, steigern ihre Leuchtkraft mitunter aber dramatisch. Dann sind sie auch für Amateure interessant. Frankfurt Quasar Monitoring listet u.a. solche Objekte auf: Besser als 14,0 mag glänzen zeitweise:
Zwicky 1 (Fische; s.o.)PG 0804+761 (Giraffe)PG 0844+349 (Luchs)HE 1029-1401 (Wasserschlange)4C 29.45 (Großer Bär)PG 1211+143 (Haar der Berenike)3C 273 (Jungfrau; s.o.)3C 279 (Jungfrau)AU CVn (B2 1308+32, OP+313; Jagdhunde)PKS 1510-08 (Waage)KUV 18217+6419 (Drache; s.o.)PGC 61965 (Drache)MRK 509 (Wassermann)3C 454.3 (Pegasus)
Links zu Objektkatalogen & Aufsuchkarten
Catalogue of Bright Quasars and BL Lacertae Objectsvon Wolfgang Steinickehttp://www.klima-luft.de/steinicke/KHQ/khq_e.htmASCI-Textfile: http://www.klima-luft.de/steinicke/KHQ/anhang.txtFrankfurt Quasar Monitoring von Stefan Kargehttp://quasar.square7.ch/fqm/fqm-home.htmlObjekte zum Anklicken, mit Aufsuchkarten und LichtkurvenPrivatsternwarte Kohlhauhttp://www.sternwarte-kohlhau.de/Beobachtung/Quasare.htmlObjekte zum Anklicken, mit AufsuchkartenMario Lehwaldwww.andromedagalaxie.de/html/agn_quasar.htmTabelle mit Quasaren und Blazaren
Artikel zum Thema:
Bob Cava: New Jersey Quasar Quest, Sky & Telescope, March 2014
Quasare (grün dargestellt) und Galaxien (rot) in der Jungfrau. Erstellt mit Guide 9.1
Visuelle Beobachtung am Fernrohr
Mit einem bloß kleinen Fernrohr bleibt man chancenlos. Ein Teleskop mit 10 cm Durchmesser (4 Zoll) schenkt uns bei punktförmigen Objekten 6,5 mag Lichtgewinn, eines mit 20 cm Öffnung (8 Zoll) hingegen 8 mag. Unter einem wirklich dunklen Himmel mit freisichtiger Grenzgröße von 6 mag kratzt der 4-Zöller mit 12,5 mag Grenzgröße theoretisch an der Sichtbarkeitsgrenze des hellsten Quasars. Ein 8-Zöller überklettert diese Grenze.Diese Rechnung unterstreicht aber auch: Quasare eignen sich visuell kaum für Stadtbewohner. Denn die freisichtige Grenzgröße in Städten ist deutlich schlechter als 6 mag.Auch Filter bringen uns nicht weiter. Das Quasarspektrum ist ein Kontinuum, nicht unähnlich dem Schein des Mondes oder der städtischen Lichterflut. Somit kostet jeder Filter auch dem Quasar selbst Licht. Und das ist bei dieser Objektkategorie sowieso schon knapp bemessen.Man braucht also einen Beobachtungsort fern der Stadt und ein Teleskop ab etwa 20 cm Öffnung. Weil sie punktförmig sind, lassen sich Quasare beim Einsatz hoher Vergrößerungen dann aus dem Himmelshintergrund heraus arbeiten. Peripheres Sehen ist unumgänglich.Hilfreich wird außerdem eine Sternkarte sein, die Sternchen bis 15 mag zeigt. Erst sie macht klar, ob man tatsächlich einen Quasar ins Visier genommen hat - und nicht bloß einen der unzähligen schwachen Sterne unserer eigenen Milchstraße.
Fotografie durchs Teleskop
AbbildungMit den Verfahren der Deep Sky Fotografie lassen sich die hellsten Quasare selbst in der Stadt ablichten. Man setzt die Kamera dazu bevorzugt in den Fokus von langbrennweitigen Teleskopen großer Öffnung, mit Öffnungszahlen von 8, 10, 12 etc.AstrometrieQuasare eignen sich auch gut für astrometrische Übungen. Am 17.5.2017 schoss ich 50 Aufnahmen des Quasars 2C273 mit je 15 sec Belichtungszeit und bei ISO 1600. Die Brennweite betrug 2050 mm, die Öffnungszahl (Blendenzahl) 10. Das Summenbild wurde mit ASPS astrometriert. Hier das Ergebnis:RA 12h29'06,69293" (12h29‘06.69512")DE +02h03'08,6934" (+02°03‘08.6628“)Die Werte in Klammer stammen von SIMBAD. Die erzielte Genauigkeit lag im Subpixelbereich.
Vergleichssterne nahe 3C273
FotometrieMan kann die Helligkeit eines Quasars auch überwachen. Dazu bedient man sich der fotografischen Astrofotometrie.Aus einem Summenbild (s.o.) des 3C273, geschossen am 17.5.2017, erimttelte ich mit IRIS eine Quasarhelligkeit von 13,0 mag. Zum Vergleich dienten die Sterne A (13,62 mag) und B (12,25 mag) bzw. C (14,74 mag) und D (12,68 mag).Spektrografie
Punktförmige Objekte sind leichter in ein Regenbogenband zu verwandeln als flächige - man kann auf den Spalt im Spektralgerät verzichten. Speziell ausgerüstete Amateure haben hellere Quasare bereits spektroskopiert. Sie demonstrieren dabei auch, wie sehr alle Linien gegen Rot verschoben sind.So ermitteln Hobbyastronomen tatsächlich die kosmologische Rotverschiebung, die Radialgeschwindigkeit und letztlich auch die Entfernung von Quasaren (Beispiel aus der Schweiz).
Die Spektrallinienverschiebung verrät die radiale Geschwindigkeit und die Distanz des Quasars (Skizze, nicht maßstabgetreu)
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