Messungen an Kleinplaneten
Etliche Kleinplaneten sind fern der Stadt im Fernglas zu sehen. Andere zeigen sich nur im Teleskop. In jedem Fall unterscheidet sich ihr Anblick nicht von jenem der Sterne. Wir machen nur schwache Lichtpunkte aus, ohne Gestalt und ohne Details.Sie sind für uns somit Objekte der klassischen Astronomie, die praktisch nur Koordinaten und Helligkeiten vermaß. Mehr können auch wir hier nicht tun.
Helligkeitsschwankungen messen
In den Tagen rund um den Oppositionstermin erreicht ein Kleinplanet seine größte Helligkeit. Aber auch diese kann rhythmischen Veränderungen unterliegen, und zwar selbst im Verlauf einer Nacht. Wie dies beim erdnahen Asteroiden 2011 MD im Jahr 2011 aussah, zeigt dieses YouTube-Video.
Kleinplanet Gaspra - Foto: NASA
Ein Kleinplanet ist selten rund, sondern meist unregelmäßig geformt wie ein Erdapfel, eine Erdnuss oder ein Felsfragment.Während er um seine Achse rotiert, präsentiert er der Sonne und der Erde unterschiedlich große Querschnitte. Damit ändert sich seine scheinbare Helligkeit am irdischen Himmel periodisch.
Oft gibt es zwei Minima und ebenso zwei Maxima. Der Lichtwechsel wiederholt sich zumeist alle vier bis zehn Stunden.
- Dessen Rhythmus (Sekunden bis Wochen) verrät die Rotationszeit (siehe YORP-Effekt)
- Dessen Stärke (0 bis 2 mag) lässt auf das Längenverhältnis der Achsen schließen
Im 19. Jh. entwickelte der deutsche Astronom Friedrich Wilhelm August Argelander die Stufenschätzmethode. Man kann damit z.B. die Helligkeitsentwicklung Veränderlicher Sterne visuell überwachen. Dazu muss man Vergleichssterne ähnlicher Helligkeit finden und mit dem Asteroiden in einer bestimmten Weise vergleichen.
Ein Plattenmessapparat
Später fotografierte man Sterne oder Kleinplaneten und maß die Schwärzungsscheibchen auf den Fotoplatten per Mikroskop aus.Dieses frühe astrofotometrische Verfahren lieferte objektivere Ergebnisse als die Schätzungen.
Mit der heutigen Digitaltechnik ist die Astrofotometrie auch ein Feld für Amateurastronomen geworden. Ich beschreibe das grundsätzliche Prozedere ausführlicher in meinen Fototipps.
Bei helleren Objekten genügt pro Messung ein einziges Foto im RAW-Format (bei Canon CR2 genannt) bzw. FITS-Format. Bei schwächeren Kleinplaneten muss vor jeder Messung das zeitaufwendige Verfahren der Deep Sky Fotografie angewandt werden: Hier sind jeweils mehrere Belichtungen zu stacken.
Ich verwende für die Astrofotometrie das Programm Iris von Christian Buil. Man vermisst damit den Grünkanal mithilfe der Apertur-Photometrie.
Hingegen beschreibt Helmut Denzau den Messvorgang mit der international hochrenommierten Software Astrometrica des Linzers Herbert Raab, nachdem 1996 selbst ein Asteroid benannt wurde.
Gesammelt werden die Lichtkurven in der Asteroid Lightcurve Photometry Database (ALCDEF). Aus solchen Kurven lassen sich dann Computer-Modelle erstellen: Sie zeigen die wahrscheinliche Form des Asteroiden.Die Seite DAMIT der Universität Prag stellt das höchst eindrucksvoll unter Beweis. Tippen Sie einfach den Namen eines Kleinplaneten ein und klicken Sie dann View model an ...
Koordinaten von Kleinplaneten vermessen
Deutschlehrer aufgepasst: In der Astronomie heißt die Mehrzahl von Ort nicht Orte - sondern tatsächlich Örter. Die Bestimmung solch himmlischer Örter ist Aufgabe der Astrometrie.
Früher peilte man dazu Asteroiden visuell mit einem Mikrometerokular bzw. einem Meridiankreis-Instrument an. Später vermaß man Fotoplatten mit Mikroskop und Messschlitten.Heute gewinnt man die Aufnahmen mit CCD- oder DSLR-Kameras. Die Auswertung erfolgt mit PC-Programmen.Ich beschreibe das Verfahren auf den Astrometrieseiten meiner Fototipps. Dort verwende ich astronomy.net, PlateSolve2 oder den All Sky Plate Solver.Dabei kann man durchaus an die Auflösungsgrenze des Teleskops heran kommen. Die Ergebnisse vergleicht man mit den Ephemeriden des Minor Planet & Comet Ephemeris Service (Kurzanleitung).
Ziel ist es, mehrere Positionsmessungen zu gewinnen - mit einigem zeitlichen Abstand und mit exakt bekannten Uhrzeiten.Die Messungen sollten vorzugsweise nicht am Beginn oder am Ende der Oppositionsschleife erfolgen. Denn dort bewegt sich ein Wandelgestirn langsamer weiter.
Oppositionsschleife der Vesta
Aus diesen Messungen berechnet man die Bahnelemente und damit die Raumbahn des Asteroiden. Man wandelt damit gewissermaßen auf den Spuren von Carl Friedrich Gauss: Ihm war es 1801 als erstem gelungen, aus einigen Beobachtungen des Ceres-Entdeckers Piazzi die Bahn dieses Asteroiden zu bestimmen.
In diesem Beispiel habe ich die Koordinaten der Vesta mit dem All Sky Plate Solver an drei Terminen ermittelt (Zeiten UTC; J2000):
2024.01.04 23:36:15 05:41:33,44 +21:09:28,62024.01.27 21:57:53 05:25:00,95 +22:07:16,62024.02.05 23:27:02 05:22:52,14 +22:30:05,6Die Verarbeitung mit dem Programm MPO2017 bzw. dem ORB_DET von HNSKY sollte nun die Bahnelemente liefern:
Berechnet Berechnet Offizielmit MPO mit ORB_DET laut MPCMean Anom: 203,89158Arg. Per: 153,73684 158,19 151.67930Asc. Node: 103,68154 103,6649 103.70848Orb. Inc: 7,15990 7,1702 7.14364Orb. Ecc: 0,090441 0,091324 0.0898160Per. Dist: 2,137810 2.1490629SM Axis: 2,35920 2,433351 2.36113
Wichtig sind solche Messungen vor allem bei neuentdeckten Asteroiden, deren Bahnen noch nicht präzise gesichert sind.
Besonderes Ansehen hat sich dabei die von den Amateurastronomen Erich Meyer und Erwin Obermair 1978 gegründete Sternwarte in Davidschlag erworben.
Dort wurden 28 Kleinplaneten entdeckt - darunter die Asteroiden Oberösterreich, Mühlviertel, Davidschlag und Philipglass (dieser Meister der Minimal Music komponierte u.a. Koyaanisqatsi, Glassworks oder die Oper Kepler).
An diesen und zahlreichen weiteren Kleinplaneten-Entdeckungen hatte Herbert Raabs Programm Astrometrica entscheidenden Anteil.