Merkur - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Merkur
Der sonnennächste und kleinste Planet taucht immer nur kurz in der Morgen- oder Abenddämmerung auf. Er pendelt gewissermaßen zwischen der Erde und dem Himmel hin- und her.

Der ihm zugeordnete Gott - Hermes bei den Griechen, Merkur bei den Römern -  galt daher in der Antike als Mittler zwischen den anderen Gottheiten und den Menschen.

Merkur (rechts seine Statue in Tulln) wurde so zum Götterboten, aber auch zum Begleiter der Verstorbenen hinab in die Unterwelt.
Kein anderer Planet zieht so flink durch die Sternbilder wie der Merkur. Diese Schnelligkeit verband ihn einst mit dem Quecksilber (englisch: mercury). Er wurde von allen verehrt, die es eilig hatten - darunter Diebe, Reisende und Händler. Seine Bedeutung als Gott der Markttreibenden überlebte in den Worten mercato (italienisch: Markt) oder merkantil.

Für die Babylonier symbolisierte Merkur den Nabu, Gott der Schreibkunst und der Weisheit. Sein Name bedeutete auch Ankünder, sein Attribut war der Schreibgriffel. Gäbe es einen Gott der Journalisten - Merkur wäre dafür ein guter Kandidat.

Die Römer widmeten den Mittwoch dem Merkur. Im Italienischen kommt das mit mercoledi noch klar zum Ausdruck. Unsere deutsche Wochentagsbezeichnung ist - ob bewusst oder nicht - extrem phantasielos.

Der englische Wednesday verrät hingegen noch die Beziehung zum südgermanischen Gott Wodan. Dieser wurde in der nordischen Götterwelt Odin genannt (vergleiche onsdag, norwegisch für Mittwoch). Odins enge Beziehung zu Dichtung und Magie mag uns an den römischen Merkur erinnern.
Odins Stellung im nordischen Götterpantheon war allerdings eine wesentlich bedeutendere als jene des Merkur im römischen Götterreigen.

Mittlerweile jedoch scheint Merkur - zumindest in seiner Rolle als Marktgottheit - die ganze Welt zu regieren.

Merkur samt Erdkugel am Haus der ehemaligen Handels- und Gewerbekammer (Wien)
Kopernikus und Galilei

Der sonnennächste und kleinste Planet taucht immer nur kurz am Dämmerungshimmel auf. Von unseren Breiten aus lässt er sich damit nicht so leicht blicken. In äquatornahen Gebieten ist es hingegen recht einfach, ihn zu erspähen.
Dass Nikolaus Kopernikus bedauert haben soll, ihn nie zu Gesicht bekommen zu haben, ist vielzitierter Unsinn. Kopernikus reiste jahrelang durch Italien und fand dort sicher Beobachtungsgelegenheiten genug. Von seiner Wirkstätte im polnischen Frombork aus (Foto unten) hatte er allerdings Schwierigkeiten, Merkurs genaue Position zu vermessen - denn in der Dämmerung fehlten gut sichtbare Anhaltssterne.
Deshalb lieh sich Kopernikus für sein Hauptwerk De Revolutionibus Messungen aus - und zwar jene des Astronomen Bernhard Walther. Über Walthers Rolle in Nürnberg erfahren Sie näheres in meinem Artikel über Regiomontan.

Galileo Galilei richtete sein Fernrohr auf Merkur. Er hoffte, Lichtphasen wie bei der Venus zu sehen. Damit hätte er beweisen können: Auch dieser Planet kreist, ähnlich der Venus, um die Sonne - und nicht um die Erde: So wie von Kopernikus behauptet.

Doch Galilei sah Merkur rund. Die Auflösungskraft seines Teleskops reichte nicht aus, Lichtphasen auf dem kleinen Planetenscheibchen zu zeigen.
Tatsächlich zeigt der Merkur Lichtgestalten wie die Venus (Foto links). Es braucht dazu bloß stärkere Vergrößerungen.
Dem italienischen Jesuiten Giovanni Battista Zupi gelang es 1639 erstmalig, die Lichtphasen des Merkur zu erspähen.

Meines Wissens war es Johann Hieronymus Schröter, der im Jahr 1800 in seinen Hermographischen Fragmenten erstmals von gesichteten Oberflächendetails auf Merkur sprach. Später meinten auch andere Astronomen nach intensiven Studien, Strukturen unterschiedlicher Helligkeit auf dem Planeten nachweisen zu können.
Im späteren 19. Jh. fertigten Giovanni Schiaparelli (Mailand) oder Percival Lowell entsprechende Merkurkarten an.


Foto links: Lowells Mausoleum wurde bei seiner Sternwarte in Flagstaff, Arizona, errichtet)
Der Grieche Eugène Michel Antoniadi legte eine solche Karte 1934 vor: Ihm standen zur Beobachtung die großen Refraktoren des französischen Meudon-Observatoriums (Öffnungen bis zu 82 cm) zur Verfügung.

Mit Amateurmitteln werden wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Oberflächendetails auf Merkur ausmachen.
Ausgedehnte Landschaften fehlen dort weitgehend. Das Antlitz ähnelt am ehesten noch der kleinteilig strukturierten Mondrückseite.

Das zeigte unter anderem auch die NASA-Sonde Messenger: Sie trat im Jahr 2011 sogar in einen Orbit um Merkur ein.


Links: Merkur porträtiert von der Sonde Messenger (Foto: NASA)
Ist Merkur aus unserer Perspektive zur Hälfte beleuchtet, trennen uns typischerweise rund 140 Mio. km von ihm. Im Teleskop ist er dann gerade einmal 7 Bogensekunden klein. Wir müssten eine Fernrohrvergrößerung von etwa 260fach wählen, um ihn ähnlich groß zu erleben, wie den Mond mit freiem Auge.

Der Einsatz derart hoher Vergrößerungen verbietet sich in der Praxis, zumal man dabei auch die von der Erdatmosphäre verursachten Bildstörungen mitvergrößern würde (Stichwort: Seeing).  

Wirklich kugelrund erleben wir den Planeten nie. Es sei denn, er zieht gerade vor der Sonnenscheibe vorbei. Solche Merkurtransits, die man nur mit fachgerechtem Schutzfilter beobachten darf, ereignen sich recht selten. Dann blicken wir allerdings auf die gerade unbeleuchtete Seite des Planeten.

Der italienische Philosoph Giordano Bruno spekulierte bereits über die Möglichkeit solcher Transits. Der Schwabe Johannes Kepler berechnete den nächsten Termin hierfür.
Dieser Transit wurde von Pierre Gassendi 1631 tatsächlich beobachtet. Zuletzt war solches im November 2019 möglich. Der nächste Merkurtransit findet erst 2032 statt.

Foto links: Merkur vor der Sonne am 9.5. 2016, fotografiert mit entsprechendem Schutzfilter
Ein recht unscheinbarer Abend- oder Morgenstern

Merkur ist der innerste Planet und entfernt sich nie weit von der Sonne. Er wechselt rasch von einer Seite auf die andere, bildet dann einen eher unscheinbaren Abend- oder Morgenstern. Seine größten Winkelabstände zur Sonne nennt man Elongationen. Sie können maximal 28 Grad betragen.

Rund um die östliche Elongation steht Merkur links der schon untergegangenen Sonne und ist damit in der Abenddämmerung sichtbar. Rund um die westliche Elongation weilt Merkur rechts der noch nicht aufgegangenen Sonne und taucht damit in der Morgendämmerung auf. Zumindest theoretisch.

Denn in unseren Breiten kommt noch eine Zusatzbedingung hinzu. Merkur zieht - wie alle Planeten - grob in der Ekliptikebene dahin. Die Ekliptik trifft den Westhorizont im Frühling unter einem vergleichsweise steilen Winkel. Beim Osthorizont ist dies im Herbst der Fall.

Falls eine östliche Elongation im Frühling eintritt, bietet sich eine wirklich gute Merkursichtbarkeit in der Abenddämmerung. Tritt eine westliche Elongation im Herbst ein, ist Merkur halbwegs einfach in der Morgendämmerung auszumachen.

Ein Orange- oder Rotfilter erhöht den Kontrast zum Dämmerungsblau. Näheres über den Einsatz von Filtern lesen Sie hier.

Da ich kein Frühaufsteher bin, berichte ich hier nur über günstige Abendsichtbarkeiten im Frühling.
So zeigte sich Merkur abends am 19.3.2024 (oben links)
Gastspiele in der Abenddämmerung

Auf die nächsten wirklich günstigen Abendsichtbarkeiten des Merkur müssen wir bis 2026 warten.

Dann aber sehen wir ihn sogar zweimal im Frühling, einmal früh und einmal spät in dieser Jahreszeit. Jedesmal taucht er in der Abenddämmerung auf.

Zunächst ist der Dämmerungshimmel noch zu hell. Während das Himmelsblau dunkler gerät, sinkt Merkur leider auch tiefer zum Horizont hinab. Ein Fernglas hilft, ihn möglichst früh auszumachen. Ein Beobachtungsplatz mit wirklich freier Sicht bis zum Westhorizont hinab ist daher Bedingung.

Die erste günstige Sichtbarkeitsperiode erreicht ihren Höhepunkt um den 19. Februar 2026. Die Venus steht wesentlich tiefer und will Aufsuchhilfe leisten. Der ganz junge Mond assistiert am 18. Februar.

Die zweite günstige Sichtbarkeit folgt Anfang bis Mitte Juni 2026. Der helle Jupiter steht dann links von Merkur, was das Auffinden erleichtert. Am 16. Juni gesellt sich die schlanke Mondsichel hinzu.

Auch hier lesen Sie rechtzeitig näheres auf dieser Seite.
Fototipps gefällig?
Man kann versuchen, Merkur und Venus in der Dämmerung mit der DSLR einzufangen - und zwar ohne Teleskop. Dazu braucht man bloß ein Stativ und am besten auch einen Fernauslöser. Die Kameraautomatik bietet dank der hellen Dämmerung einen ersten Anhaltspunkt für die Belichtungszeit. Von extremen Weitwinkelaufnahmen rate ich ab: Denn dann wird Merkur nur noch 1 Pixel klein und somit quadratisch.

Scharfgestellt wird auf den hellen Planeten Venus, eventuell mit einer Bahtinov-Maske (diese Masken gibt es auch in passenden Größen für Kameraobjektive). Alternativ lassen sich sehr weit entfernte irdische Objekte am Horizont zum Fokussieren nützen. Das Foto gewinnt an Plastizität, wenn man Irdisches (in der Nähe und in der Ferne) mit ins Bild rückt.
Um die Lichtphase des Merkur einzufangen, muss man den Planeten mit einer CCD/CMOS-Kamera durchs Teleskop anvisieren. Ein Rotfilter mag helfen, den Kontrast zu steigern und die Folgen der Luftunruhe zu mindern.
Speziell ausgerüstete Amateure fotografierten bereits den Natriumschweif des Merkur: Das ist ein grob 1 Grad langes, kometenähnliches Gebilde aus Atomen, die Stunden zuvor von der Sonnenstrahlung aus dem Merkurboden geschlagen wurden.

Um den Natriumschweif festhalten zu können, braucht es klaren, möglichst dunklen Himmel und einen Filter, der nur die gelbe Doppellinie des Natriums (589,0 nm und 589,6 nm) passieren lässt. Solche Filter für die Planetenbeobachtung sind leider sehr schwer zu bekommen. Näheres über Merkurs Schweif lesen Sie in den Geophysical Research Letters, 2.2.2008.
Beobachtungsaufgaben
    • Gelingt es Ihnen, Merkur freisichtig in der Dämmerung auszumachen?
    • Schaffen Sie es mit dem Fernglas?
    • Ist die aktuelle Lichtphase des Planeten im Fernrohr zu erkennen?


    Alle Angaben ohne Gewähr!
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