Der Stern von Bethlehem
Zu Beginn des 14. Jh. erhielt Giotto di Bondone den Auftrag, einen Freskenzyklus für die Cappella degli Scrovegni in Padua zu erstellen. Seine 38 höchst eindrucksvollen Fresken entstanden von 1304 bis 1306 und widmeten sich unter anderem dem Leben Jesu.Über die Anbetungszene zu Bethlehem setzte Giotto einen Schweifstern. Der Maler hatte kurz zuvor, im Jahr 1301, den Halleyschen Kometen mit eigenen Augen beobachtet. Giotto hinterließ nicht nur die erste realistische Kometendarstellung der Kunstgeschichte - er prägte auch unsere Vorstellung vom Weihnachtsstern ganz entscheidend.
Doch war der Stern von Bethlehem wirklich ein Komet? Und muss es dieses Gestirn überhaupt gegeben haben?Tag, Monat, Jahr - alles unsicherNur der Evangelist Matthäus berichtet von einem "Stern", der Weise aus dem Morgenland nach Bethlehem geführt haben soll - um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen.Wir wissen aber weder Zahl, noch Rang noch Namen dieser Besucher. Die Vorstellung von den „Heiligen drei Königen“ und damit der Brauch des Sternsingens fußen auf jüngeren, außerbiblischen Ideen.
Wir kennen außerdem weder Tag noch Monat von Jesu Geburt. Unser Termin des Weihnachtsfests, der 25. Dezember, basiert auf dem Wunsch Kaiser Aurelians, die "unbesiegbare" Sonne im ganzen römischen Reich verehrt zu wissen - und auf einer falschen Annahme zum Datum der Wintersonnenwende.
Foto links: Darstellung des Weihnachtssterns in einer kleinen orthodoxen Kirche auf Rhodos
Wir wissen nicht einmal, in welchem Jahr wir suchen sollten. Zwar wird König Herodes im Geburtsbericht des Matthäus erwähnt, doch dessen Todesdatum ist umstritten. Zu dessen Datierung werden zwei unterschiedliche Mondfinsternisse herangezogen.
Für die Mehrzahl der Historiker starb Herodes im Jahr 4 v. Chr.; womöglich geschah dies aber erst drei Jahre später.
Grafik links:
Ein Mondfinsternis soll dem Tod des historischen Königs Herodes vorangegangen sein. Wahrscheinlich war es diese vom 13. März 4 v. Chr.
Gab es eine reale Vorlage?Welches reale Himmelsphänomen könnte Matthäus' Bericht theoretisch zu Grunde liegen? Eine allzu häufig auftretende Erscheinung (z.B. eine helle Sternschnuppe) käme nicht in Frage, denn ihr fehlte es an Bedeutung.
Wahrscheinlich eignen sich Kometen (oben ein Foto des Kometen Hale-Bopp aus dem Jahr 1997) ebenfalls nicht zur Eklärung des biblischen Sterns. Denn die damals nicht vorher berechenbaren Schweifsterne wurden eher als Störung der himmlischen Ordnung betrachtet.Für neu aufstrahlende Sterne - Novae, Supernovae - fehlen sichere außerbiblische Belege, z.B. Einträge in Chroniken.
Geeignete Vorlagen wären Planetentreffen, sogenannte „Konjunktionen“ – vor allem, falls die Weisen Nachfahren babylonischer Priesterastronomen waren. Denn diese konnten Konjunktionen vorherberechnen; sie kannten das reiche Omenwesen Mesopotamiens und wussten wohl um die messianischen Erwartungen der Juden.
Im deutschen Sprachraum wird in diesem Zusammenhang häufig die Begegnung von Jupiter und Saturn in den Fischen genannt, die 7 v. Chr. stattfand. Die Grafik oben zeigt den Anblick am 17. November dieses Jahres.Den Babyloniern galt Jupiter als Symbol für „König“. In Saturn sahen sie angeblich das Sinnbild für das Volk der Juden - eine Behauptung, für die sich in mesopotamischen Quellen allerdings bis heute kein Nachweis finden ließ. Völlig spekulativ ist die Annahme, wonach der rechte Teil des Sternbilds Fische damals für Palästina gestanden hätte.Im englischen Sprachraum denkt man eher an die engen Begegnungen von Jupiter und Venus im Löwen in den Jahren 3. bzw. 2. v. Chr. (das Foto unten, geschossen auf Rhodos, hält eine solche Begegnung im Jahr 2015 fest). Das Judentum wurde im Alten Testament mit einem Löwen verglichen. Diese Konjunktionen kämen allerdings zu spät, sollte Herodes schon 4 v. Chr. gestorben sein - wovon die meisten Historiker ja ausgehen.
Johannes Kepler war der erste, der auf die Konjunktion von Jupiter und Saturn im Jahr 7 v. Chr. hinwies. Das planetare Treffen hätte einen neuen Stern hervorgebracht, spekulierte er in Prag; und diese Nova hätte dann Eingang ins Matthäus-Evangelium gefunden. Hingegen warnte Keplers Zeitgenosse Galileo Galilei generell davor, die Bibel als Naturkundelehrbuch zu begreifen.Bloß ein Symbol?Die Evangelien wurden drei bis sechs Jahrzehnte nach Jesu Tod geschrieben. Matthäus war also kein Augenzeuge des von ihm erwähnten „Sterns“. Wir wissen nicht, auf welche astronomische Erscheinung er sich bezieht. Wir wissen nicht einmal, ob er dies überhaupt je vor hatte.Vielleicht diente der Stern dem Matthäus bloß als Symbol, um eindrucksvoller an alte Weissagungen - „Ein Stern geht in Jakob auf“ - anzuschließen und um Jesus als den von den Juden erwarteten Messias präsentieren zu können.
Womöglich hat Matthäus das himmlische Zeichen schlicht erfunden, um die Bedeutung von Jesu Geburt zu unterstreichen.
Der dann nur vorgeblich existierende Stern mag ihm als Sinnbild der Hoffnung bzw. des Trosts oder der göttlichen Macht des Messias gedient haben.
Ähnlich verfahren wir noch heute: Man denke nur an den Begriff "Sternenkind" für früh verstorbene Kinder - oder an die Sterne auf vielen Nationalflaggen.
Foto links: Matthäus-Figur am Schönen Brunnen, Nürnberg
Früher wurden Weisheiten gerne in Geschichten verpackt, um diese leichter von einer Generation zur nächsten weiterreichen zu können. Demnach wären auch in der Bibel Glaubensbotschaften eingekleidet worden, um sie leichter erzählen zu können.Dann aber könnte man den Stern des Matthäus bloß als schmückendes Beiwerk betrachten, als reines Produkt der Fantasie dieses Evangelisten.
Literatur zum Thema
- Matthäus-Evangelium. Kapitel 1 und 2 (Geburtsbericht Jesu)
- Johannes Kepler: Vom wahren Geburtsjahr Christi, Verlag Marie Leidorf, Rahden 2016
- Konradin Ferrari d’Occhieppo: Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht (Brunnen-Verlag, mehrere Auflagen)
- Roger W. Sinott: Thoughts on the Star of Bethlehem, Zeitschrift Sky & Telescope, Dec. 1968, 384
- Aaron Michael Adair: Science, Scholarship, & Bethlehem's Starry Night, Zeitschrift Sky & Telescope, Dec. 2007, 26
- Rahlf Hansen: Kepler und der Stern von Bethlehem, Zeitschrift Sterne und Weltraum 1/10 - Januar 2010
- David Flusser: Jesus (rororo)
- Christian Pinter: Ein Stern mit Fragezeichen – über den Stern von Bethlehem, Wiener Zeitung, Beilage Wiener Journal, 24.12.2014
- Christian Pinter: Babylonisches Omen, Wiener Zeitung, Beilage extra, 7.12.2007
- Christian Pinter: Helden des Himmels (Kremayr & Scheriau, 2009) - ein Abschnitt des Buchs widmet sich der babylonischen Himmelskunde
Alle Angaben ohne Gewähr - Text, Fotos & Grafiken © Christian Pinter