Weihnachtsstern - Dr. Christian Pinter - Astronomische Beobachtungstipps

Dr. Christian Pinter
Beobachtungstipps
Astronomische
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Der Stern von Bethlehem
Jupiter, Saturn, Venus - sie alle stehen zu Weihnachten 2024 gut sichtbar am Himmel. Vielleicht diente ein Treffen von Jupiter und Saturn oder Jupiter und Venus einst als himmlische Vorlage für den Weihnachtsstern. Die Betonung liegt auf "vielleicht". Denn so sicher, wie bei uns gern behauptet wird, ist die ganze Geschichte nicht.  


Ein Künstler prägte unsere Sicht

Zu Beginn des 14. Jh. erhielt Giotto di Bondone den Auftrag, einen Freskenzyklus für die Cappella degli Scrovegni in Padua zu erstellen. Seine 38 höchst eindrucksvollen Fresken entstanden von 1304 bis 1306 und widmeten sich unter anderem dem Leben Jesu.

Über die Anbetungszene zu Bethlehem setzte Giotto einen Schweifstern. Der Maler hatte kurz zuvor, im Jahr 1301, den Halleyschen Kometen mit eigenen Augen beobachtet. Giotto hinterließ nicht nur die erste realistische Kometendarstellung der Kunstgeschichte - er prägte auch unsere Vorstellung vom Weihnachtsstern ganz entscheidend. Deshalb zeigt sich der "Weihnachtsstern" in Auslagen und Straßenbeleuchtungen heute gern mit einem dekorativen Schweif.
Doch war der Stern von Bethlehem wirklich ein Komet? Und muss es dieses Gestirn überhaupt gegeben haben?


Tag, Monat, Jahr - alles unsicher

Nur der Evangelist Matthäus berichtet von einem "Stern", der Weise aus dem Morgenland nach Bethlehem geführt haben soll - um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen.

Wir  wissen aber weder Zahl, noch Rang noch Namen dieser Besucher. Die Vorstellung von den „Heiligen drei Königen“ und damit der Brauch des Sternsingens fußen auf jüngeren, außerbiblischen Ideen.
Wir kennen außerdem weder Tag noch Monat von Jesu Geburt. Unser Termin des Weihnachtsfests, der 25. Dezember, basiert auf dem Wunsch Kaiser Aurelians, die "unbesiegbare" Sonne im ganzen römischen Reich verehrt zu wissen - und auf einer falschen Annahme zum Datum der Wintersonnenwende.


Foto links: Darstellung des Weihnachtssterns in einer kleinen orthodoxen Kirche auf Rhodos
Wir wissen nicht einmal, in welchem Jahr wir suchen sollten. Zwar wird König Herodes im Geburtsbericht des Matthäus erwähnt, doch dessen Todesdatum ist umstritten. Zu dessen Datierung werden zwei unterschiedliche Mondfinsternisse herangezogen.
Für die Mehrzahl der Historiker starb Herodes im Jahr 4 v. Chr.; womöglich geschah dies aber erst drei Jahre später.



Grafik links:
Ein Mondfinsternis soll dem Tod des historischen Königs Herodes vorangegangen sein. Wahrscheinlich war es diese vom 13. März 4 v. Chr.
Gab es eine reale Vorlage?

Welches reale Himmelsphänomen könnte Matthäus' Bericht theoretisch zu Grunde liegen? Eine allzu häufig auftretende Erscheinung (z.B. eine  helle Sternschnuppe) käme nicht in Frage, denn ihr fehlte es an Bedeutung.
Wahrscheinlich eignen sich Kometen (oben ein Foto des Kometen Hale-Bopp aus dem Jahr 1997) ebenfalls nicht zur Eklärung des biblischen Sterns. Denn die damals nicht vorher berechenbaren Schweifsterne wurden eher als Störung der himmlischen Ordnung betrachtet.

Für neu aufstrahlende Sterne - Novae, Supernovae - fehlen sichere außerbiblische Belege, z.B. Einträge in Chroniken.
Geeignete Vorlagen wären Planetentreffen, sogenannte „Konjunktionen“ – vor allem, falls die Weisen Nachfahren babylonischer Priester­astronomen waren. Denn diese konnten Konjunktionen vorher­berechnen; sie kannten das reiche Omenwesen Mesopotamiens und wussten wohl um die messianischen Erwartungen der Juden.

Konjunktionen besitzen einen gewaltigen Vorteil: Wir kennen die Planetenbahnen dank Kepler, Newton und weiteren Gelehrten mit großer Präzision. Astronomen können die planetaren Bewegungen daher über Jahrtausende hinweg verlässlich zurück rechnen. Sie sind dabei keineswegs auf historische Berichte oder Chroniken angewiesen.  
Im deutschen Sprachraum wird im Zusammenhang mit dem Weihnachtsstern häufig an die Begegnung von Jupiter und Saturn in den Fischen erinnert, die 7 v. Chr. stattfand. Die Grafik oben zeigt den Anblick am 17. November dieses Jahres.

Der Schwabe Johannes Kepler war der erste, der auf diese Konjunktion verwies. Das planetare Treffen hätte einen neuen Stern hervorgebracht, spekulierte Kepler in Prag; und diese Nova hätte dann Eingang ins Matthäus-Evangelium gefunden.

1825 ließ der Astronom Ludwig Ideler in seinem Handbuch der Chronologie die vermeintliche Nova Keplers wieder weg und beschränkte sich allein auf die erwähnte Konjunktion. Für Ideler war es somit nicht mehr ein Stern, auf den sich Matthäus bezogen hätte, sondern zwei.

Der 2007 verstorbene österreichische Astronomiehistoriker Konradin Ferrari d’Occhieppo baute diese Hypothese ab 1965 aus.

Wie Ferrari d’Occhieppo in seinem Buch Der Stern von Bethlehem argumentierte, galt den Babyloniern der Jupiter als Symbol für „König“. Das ist plausibel. In Saturn sahen sie angeblich das Sinnbild für das Volk der Juden - eine Behauptung, für die sich in mesopotamischen Quellen allerdings bis heute kein Nachweis finden ließ. Völlig spekulativ geblieben ist d’Occhieppos Annahme, wonach der rechte Teil des Sternbilds Fische damals für Palästina gestanden hätte.

Der starke deutsch-österreichische Bezug ist wohl der Grund, warum Planetarien im deutschen Sprachraum in ihren Vorweihnachtsshows gern auf eben diese Konjunktion von Jupiter und Saturn im Jahr 7. v. Chr. in den Fischen verweisen.
Englischsprachige Planeterien zeigen meist einen anderen "Weihnachtsstern". Dort denkt man eher an die engen Begegnungen von Jupiter und Venus im Löwen in den Jahren 3. bzw. 2. v. Chr. (das Foto oben, geschossen auf Rhodos, hält eine solche Begegnung im Jahr 2015 fest). Das Judentum wurde im Alten Testament mit einem Löwen verglichen, was hier als Argument dienen mag.

Diese Konjunktionen kämen allerdings zu spät, sollte Herodes schon 4 v. Chr. gestorben sein - wovon die meisten Historiker ja ausgehen.
Bloß ein Symbol?

Die Evangelien wurden drei bis sechs Jahrzehnte nach Jesu Tod geschrieben. Matthäus war also kein Augenzeuge des von ihm erwähnten „Sterns“. Wir wissen nicht, auf welche astronomische Erscheinung er sich bezieht. Wir wissen nicht einmal, ob er dies überhaupt je vor hatte.

Vielleicht diente der Stern dem Matthäus bloß als Symbol, um eindrucksvoller an alte Weissagungen - „Ein Stern geht in Jakob auf“ - anzuschließen und um Jesus als den von den Juden erwarteten Messias präsentieren zu können.
Womöglich hat Matthäus das himmlische Zeichen schlicht erfunden, um die Bedeutung von Jesu Geburt auch auf diesem Weg nochmals hervorzuheben.

Der dann nur vorgeblich existierende Stern mag ihm als Sinnbild der Hoffnung bzw. des Trosts oder der göttlichen Macht des Messias gedient haben.

Ähnlich verfahren wir noch heute: Man denke nur an den Begriff "Sternenkind" für früh verstorbene Kinder - oder an die Sterne auf so vielen Nationalflaggen.

Foto links: Matthäus-Figur am Schönen Brunnen, Nürnberg
Früher wurden Weisheiten gerne in Geschichten verpackt, um diese leichter von einer Generation zur nächsten weiterreichen zu können. Demnach wären auch in der Bibel Glaubensbotschaften eingekleidet worden, um sie leichter erzählen zu können.

Dann aber könnte man den Stern des Matthäus bloß als schmückendes Beiwerk betrachten, als reines Produkt der Fantasie dieses Evangelisten. Alle Versuche, ihn mit einem tatsächlichen Himmelsereignis zu verknüpfen, wären dann Makulatur.

Dennoch nützen manche Astronomen den Weihnachtsstern noch immer, um kurz vor Jahresende auf ihre Kunst zu verweisen. Und das, obwohl der große Galileo Galilei schon vor 400 Jahren davor gewarnt hatte, die Bibel als Naturkundelehrbuch zu begreifen.
Literatur zum Thema

  • Matthäus-Evangelium. Kapitel 1 und 2 (Geburtsbericht Jesu)
  • Johannes Kepler: Vom wahren Geburtsjahr Christi, Verlag Marie Leidorf, Rahden 2016
  • Konradin Ferrari d’Occhieppo: Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht (Brunnen-Verlag, mehrere Auflagen)
  • Roger W. Sinott: Thoughts on the Star of Bethlehem, Zeitschrift Sky & Telescope, Dec. 1968, 384
  • Aaron Michael Adair: Science, Scholarship, & Bethlehem's Starry Night, Zeitschrift Sky & Telescope, Dec. 2007, 26
  • Rahlf Hansen: Kepler und der Stern von Bethlehem, Zeitschrift Sterne und Weltraum 1/10 - Januar 2010
  • David Flusser: Jesus (rororo)
  • Christian Pinter: Ein Stern mit Fragezeichen – über den Stern von Bethlehem, Wiener Zeitung, Beilage Wiener Journal, 24.12.2014
  • Christian Pinter: Babylonisches Omen, Wiener Zeitung, Beilage extra, 7.12.2007
  • Christian Pinter: Helden des Himmels (Kremayr & Scheriau, 2009) - ein Abschnitt des Buchs widmet sich der babylonischen Himmelskunde


Alle Angaben ohne Gewähr - Text, Fotos & Grafiken © Christian Pinter   

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